Corona Studios II: Laura Sacher

Laura Sacher, the organs case, 2020, Courtesy the artist, Foto: Rainer Diehl
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1. April 2021
Text: Laura Sacher

Laura Sacher, *1990, lebt und arbeitet in Mannheim.
laurasacher.de

Laura Sacher erhielt 2020 den erstmals vergebenen Paul Ege Kunstpreis der PEAC Collection. Die mit der Auszeichnung verbundene Ausstellung wird voraussichtlich im Oktober 2021 im Kunsthaus L6, Freiburg, gezeigt. Arbeiten der Künstlerin waren kürzlich im Rahmen der Ausstellung „Deltabeben“  in der Kunsthalle Mannheim zu sehen. Demnächst eröffnet eine Ausstellung im Heidelberger Skulpturenpark u.a. mit einer für den Manfred-Fuchs-Preis 2021 nominierten Arbeit Sachers.

Laura Sacher, theia (Arbeitstitel), 2021, Courtesy the artist
Laura Sacher, intimacy of a corner, 2020, Courtesy the artist, Foto: Rainer Diehl

Stillstand gibt es nicht, nur das Gefühl von Lähmung wenn man einflussfrei zusieht. Es gibt die Stille, eine Stille, die herrscht, wenn etwas zu Ende gegangen ist oder bevor etwas Neues beginnt. Es wird über Einsamkeit gesprochen. Und wir haben jetzt alle mit einer gleichen Herausforderung zu tun.

Hast du staatliche Hilfen beantragt? Wenn nicht, warum nicht – wenn ja, wurden sie bewilligt? Gab es ausgefallene oder verschobene Ausstellungen, Veranstaltungen, Stipendien, Jobs, Reisen, gab es Verkäufe? Hat sich deine Arbeit während des letzten Jahres verändert? Wie hast du Solidarität erfahren? Welchen Einfluss hat der langfristige Lockdown auf den Austausch mit anderen? Was macht das mit der Kunstszene? Die Kultur war schnell und hart betroffen und ist es nach wie vor, bislang unabsehbar. Wie hätte ein anderer Umgang mit Kunstschaffenden aussehen können? Wie soll es weiter gehen, was muss anders werden?

Es ist im Moment schwer etwas zu schreiben, was über den Moment hinaus noch Gehalt hat, denn wir sind in einer Schwebe, einem ungewissen Zustand wie man es als Künstler*In noch gut kennt, nur noch schwebender. Aber ich versuche, genau aus der Situation zu schöpfen.

Eine Ausstellungsbeteiligung in der Kunsthalle Mannheim hätte im November zu sehen sein sollen, hat dann situationsbedingt im Dezember online eröffnet, im März nochmal kurz für 5 Tage regulär, bis dann der Inzidenzwert in Mannheim wieder stabil über 100 stieg. Die erste Coronahilfe habe ich beantragt, bis heute weiß ich nicht, ob ich sie im Fall zurückzahlen müsste, weil Lebensunterhaltungskosten enthalten waren. Kurz bevor vor einem Jahr die ersten Corona-Maßnahmen getroffen wurden, habe ich meine Tochter zur Welt gebracht. Da ich im Jahr zuvor das Glück hatte, größtenteils durch ein Stipendium leben und arbeiten zu können, dazu aber nicht mehr als den Minijob-Betrag monatlich verdienen durfte, konnte ich den geringsten Betrag beantragen, denn Stipendiengelder gelten nicht als Einkommen. Aber immerhin, ein Stück Sozialstaat greift. Projekte, mit denen ich meinen Lebensunterhalt ergänzen wollte, während ich mich um meine Tochter kümmere, konnten größtenteils nicht stattfinden, oder nur punktuell. Die Betreuung, die ich für meine Tochter geplant hatte, hat sich aus Vorsicht vor Ansteckung aus der Tätigkeit zurückgezogen. Verständlich. Das bedeutet, dass sich das „alles gleichzeitig aufbauen“ um mindestens ein weiteres halbes Jahr verlängert, und die Kleine ist überall dabei. Nächste Woche ist Aufbau meiner Ausstellungsbeteiligung im Skulpturenpark Heidelberg an der Orthopädischen Klinik. Die Ausstellung im Freiburger Kunsthaus L6, die an den Paul-Ege-Kunstpreis gekoppelt ist, ist vorerst auf Oktober 2021 verschoben. Der Preis mit der Ausstellung war eine große Überraschung und ist ein Anker dieses Jahr. Alle bemühen sich, dran zu bleiben, sind in den Startlöchern, doch jeder weiß, dass ein Plan nur ein vorübergehender sein kann.

Mich interessiert, was wir an Positivem aus diesem zugespitzten Schwebezustand herausfiltern können, neben der versehentlichen Umweltschonung. Wo man umdenken kann oder wo Engpässe schon vorher da waren, aber eher unbemerkt nebenher liefen. Ich habe im Zuge der für mich neuen Situationen im Corona- und „Babylockdown“ zum einen so viel zu tun wie noch nie zuvor, immer mit einer neugierigen kleinen Begleiterin, zum anderen habe ich in der Isolation paradoxerweise gelernt, wie wichtig es ist, sich zusammenzutun. Ich wohne in dem sich im „Wiederaufbau“ befindenden Stadtteil Mannheim-Franklin, im 2020 gegründeten Künstlerhaus barac mit Monats- und Jahresaufenthalten junger Künstler*Innen, Ateliers sowie dauerhaften Mieter*innen. Teil des Hauses sind ein Farblabor und ein Erdlabor, ersteres entstanden und geleitet durch einen jungen Künstler, zweiteres durch mich. Ein Pool aus vielen Einzelakteur*innen, die durch die Arbeit und das Experiment an der gleichen Sache Teil eines kollektiven Schaffens sind, aus dem wieder neue Konstellationen und Aktionen entstehen können. Da es sich um eine große Hausgemeinschaft handelt, sind wir hier unter uns weiterhin in einem Diskurs. Hier erfahre ich die Unterstützung, ohne die meine Projekte in der Form unter meinen Umständen kaum handlebar wären und bin gleichzeitig Teil anderer Vorhaben.

Zum anderen ist mir aufgefallen, wie wenig zeitgenössisches Kunstgeschehen im öffentlichen Raum sichtbar ist. Wenn das Publikum keine Gelegenheit mehr hat, Ausstellungen zu besuchen, wird klar, dass Kunst hinter Fassaden verschwindet. Kunst, die sich sicher und unbeirrt in Schutzräumen präsentiert. Wie gut, dass es diese Räume gibt. Aber es fehlt mir der andere Teil der Realitätsbegegnung. Außerdem ist es in dieser Zeit des kulturellen Entzugs um so wichtiger, Reizen im risikoärmeren Außenraum begegnen zu können. Im Moment arbeite ich an Konzepten, die Kunst im urbanen Raum ermöglichen. Mobil, temporär, den öffentlichen Raum der Medien miteinbeziehend, Künstler und Betrachter verschiedener Orte vernetzend.

Mit den beigefügten Fotos möchte ich kurz auf die aktuellen Ausstellungsbeteiligungen in der Kunsthalle Mannheim und in Heidelberg eingehen. Die in der Kunsthalle gezeigte Arbeit ist ein Stecksystem, ein Baldachin, das auf wackelig dünnen, sich zuspitzenden Metallstäben durch reine Hebelkraft steht und durch Gipsbalken in Überkopfhöhe zusammengehalten wird. Die Konstruktion wäre erweiterbar, sie ist hier mit der für das Gleichgewicht benötigte Mindestanzahl konstruiert. Fragil in einen vorübergehend stabilen Zustand gebracht („the organs case“). Eine zweite Arbeit stellt sich aus einer vierfachen Abformung der selben Ecke zusammen, die sich durch den Prozess und die verwendeten Materialien zunehmend vom Original unterscheidet und sich individuelle Erscheinungsformen herausbilden („intimacy of a corner“).
Für Heidelberg entsteht meine erste Arbeit für den öffentlichen Raum. An einem dafür angefertigten Metallgestell hängt in einem Netz ein Lehmstein Pendel, das durch Wind oder das Anstoßen des Betrachters in Schwingung versetzt werden kann. Es weitestgehend Wetterresistent, was bedeutet, der Lehm wird sich nach und nach etwas auswaschen, d,h. er ist einer gewissen Vergänglichkeit unterworfen. Das Material ist ausschließlich aus eigenem Erdaushub („theia“ Arbeitstitel).



Corona Studios II ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg.