Corona Studios II: Maristella Witt

Maristella Witt, Imade an Inside (Performance), 2020, Foto: Andrea Mihaljevic, courtesy the artist
Thema > Corona Studios II
26. März 2021
Text: Maristella Witt

Maristella Witt, * 1997, studiert Bildende Kunst in Freiburg.
maristella-witt.com

Maristella Witts Beitrag Corona Studios I vom 25. Mai 2020 finden Sie hier.

Maristella Witt, Piu Piu Piu, 2020, courtesy the artist
Maristella Witt, Ökosystem (Videostill), 2020, courtesy the artist

Ein rund laufendes Ökosystem
Ein „Inneres“, das man sich überall aufbauen kann
Bunte Pistolen aus Plastik

Jetzt, da ich drei ausgewählte Werke in diesem Beitrag teile, bringt mich ihr Zusammenwirken zum Schmunzeln.

Eine Art künstlerisches Survival-Set?

Sechs Fragen an Maristella Witt

Hast Du staatliche Hilfe beantragt? Wenn nicht, warum nicht – wenn ja, wurde sie bewilligt?
Nein. Ich bin noch im Studium, und meine Eltern unterstützen mich großzügig. Hier und da habe ich Jobs übernommen um mir etwas dazuzuverdienen. Ich glaube, andere KünstlerInnen in anderen Situationen sind auf staatliche Hilfe eher angewiesen.

Gab es ausgefallene oder verschobene Ausstellungen, Veranstaltungen, Stipendien, Jobs, Reisen, gab es Verkäufe?
Ich hätte gerne ein Austausch-Semester wahrgenommen, mal schauen, ob da in den kommenden Semestern noch etwas auf die Beine gestellt werden kann. Zu Beginn der Pandemie ist das „Open Art“ Projekt ins Wasser gefallen, bei dem ich gerne mit einer Performance mitgewirkt hätte.

Hat sich Deine Arbeit während des letzten Jahres verändert?
Diese Frage ist das vergangene Jahr immer mal wieder durch meinen Kopf gespukt. Ich denke ja, auf theoretischer Ebene. Anfangs habe ich sie immer verneint, hatte ich mich doch immer schon für psychologische Themen wie Soziale Ängste und zwischenmenschliche Beziehungen interessiert. Auch die bevorstehende „Pandemie der Einsamkeit“ hat mich immer sehr besorgt, wenn man betrachtet, wie dieses bestehende System Menschen nur als produzierende und konsumierende Algorithmen behandelt. Für mich waren es diese Themen, die sich auch während der Pandemie herauskristallisiert haben. Doch vor diesem Jahr hat man sich oft auf abstrakte Weise über sie unterhalten, ihnen nicht besonders viel Raum gegeben. Ich denke, meine Arbeit ist konkreter geworden, denn ich traue mich mehr in die Aktion zu gehen. Die Themen, die mich vorher interessiert haben, haben Antrieb gewonnen, möchten aktiv aufgegriffen und erforscht werden, nicht nur beredet oder erwähnt.

Wie hast Du Solidarität erfahren?
Handfeste Solidarität habe ich im engeren Kreis erfahren: Meine Eltern haben mich viel nachhause eingeladen, aus diesem Gefühl heraus, wenn die Familie zusammen ist, passiert uns schon nichts. Meine ProfessorInnen haben sich dafür eingesetzt, dass wir so viel wie möglich in unsere Ateliers dürfen. Im öffentlichen Raum aber, hatte ich eher den Eindruck, das Gegenteil wäre der Fall. Fremde Menschen erschienen mir fast schon feindselig. In vielerlei Hinsicht habe ich auch von mir selbst Solidarität erfahren, auch wenn das paradox erscheint. Durch das viele Alleinsein haben wir den Wert von Gemeinschaft wieder entdeckt, sogar an Orten, wo man sie nicht erwartet hätte. In einem Selbst zum Beispiel. Unterschiedliche Teile im Selbst streben komplett konträre Ziele an und handeln aus unterschiedlichen ethischen Perspektiven. Das alles zu entwirren, die verschiedenen Teile anzunehmen, und wie ein kleines Ökosystem zusammenzuarbeiten, ist solidarisch auf einer anderen Ebene.

Welchen Einfluss hat der langfristige Lockdown auf den Austausch mit anderen? Was macht das mit der Kunstszene?
Überall hatten Menschen trotz allem coole Ideen, wie man zusammenarbeiten kann. Wie Julius Martin-Humpert in seinem Beitrag schon erwähnt hat, haben er und seine Schwester das „Lock Down Look Up“ Projekt auf die Beine gestellt. Die Ausarbeitung meiner Installation im Kyosk war eine willkommene Abwechslung und hat zu mehr Austausch unter jungen KünstlerInnen geführt.

Die Kultur war schnell und hart betroffen und ist es nach wie vor, bislang unabsehbar. Wie hätte ein anderer Umgang mit Kunstschaffenden aussehen können? Wie soll es nach der Krise weiter gehen, was muss anders werden?
Puh, harte Nuss. Gerechte Vergütung für Kunstschaffende (Mindestlohn!), sowie mehr Vernetzung untereinander wären erste Schritte, damit KünstlerInnen sich ein sichereres Lebensumfeld aufbauen können. Aber die Wurzeln dieses Problems sind tief und beginnen da, wo Kunstverständnis geprägt wird. Denn was die meisten KünstlerInnen doch wirklich fuchst, ist das generelle Missverständnis seitens Bevölkerung und Regierung. Wie kann es sein, dass Kunstschaffende, sobald man die Grenze nach Frankreich überquert, geschätzter und integrierter wahrgenommen werden? Um nachhaltig ein gleichberechtigtes Auftreten in der Gesellschaft zu gewährleisten, muss meiner Meinung nach im Kunstunterricht begonnen werden. In der Schule wurde bei uns der Kunstunterricht nie ernst genommen, sondern eher als einfache Freizeitaktivität. Das ist die selbe Sichtweise der Regierung, über die der Kunstbetrieb während der Pandemie empört war.



Corona Studios II ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg.