Corona Studios II: Max Siebenhaar

Max Siebenhaar, ISOLATION, 2020, mixed media installation, Courtesy the artist, Foto: © Valentin Fischer
Thema > Corona Studios II
25. März 2021
Text: Daniel Vollmer, Max Siebenhaar

Max Siebenhaar, *1987, lebt und arbeitet als freischaffender Künstler und Bühnenbildner in Freiburg i.Br.
Er gehört zum Team des DELPHI_space, Emmendinger Str. 21, Freiburg.

maxsiebenhaar.de

Zuletzt waren Arbeiten von ihm zu sehen im Projektraum Edith, Freiburg, sowie im Atelier régionale c/o Atelier Mondial, Basel-Münchenstein.

Max Siebenhaar, ISOLATION, 2020, mixed media installation, Courtesy the artist, Foto: © Valentin Fischer
Max Siebenhaar, ISOLATION, 2020, mixed media installation, Courtesy the artist, Foto: © Valentin Fischer
Max Siebenhaar, ISOLATION, 2020, mixed media installation, Courtesy the artist, Foto: © Valentin Fischer
Max Siebenhaar, ISOLATION, 2020, mixed media installation, Courtesy the artist, Foto: © Valentin Fischer
Max Siebenhaar, ISOLATION, 2020, mixed media installation, Courtesy the artist, Foto: © Valentin Fischer
Max Siebenhaar, ISOLATION, 2020, mixed media installation, Courtesy the artist, Foto: © Valentin Fischer
Max Siebenhaar, ISOLATION, 2020, mixed media installation, Courtesy the artist, Foto: © Valentin Fischer
Max Siebenhaar, Bis auf weiteres gesperrt, 2020, white cement, tension belt, plastic lawn, platform trolly, 35 x 120 cm, Courtesy the artist, Foto: © Kathrin Schulthess
Max Siebenhaar, Dreiländereck, 2020, concrete, spray paint, tension belt, hand truck 35 x 70 cm, Courtesy the artist, Foto: © Kathrin Schulthess

ISOLATION, 2020

Thema der im Freiburger Projektraum Edith gezeigten Ausstellung von Max Siebenhaar ist der titelgebende Begriff der ISOLATION, sind seine weitläufigen Bedeutungsebenen: Als technisches Dämmmaterial, als Verfahren zur Trennung oder Verbindung von Materialien, als Gefühl des Alleinseins.

Beim Eintritt in den Raum begegnet den Besucher*innen zunächst eine Auswahl an Lektüren, deren Inhalt als Ausgangspunkt für viele der künstlerisch umgesetzten Gedanken steht. Die verteilten Objekte rufen verschiedenartige Assoziationen hervor, lassen Spielraum für eigene Gedanken. Verwendet werden dabei auch gefundene Alltagsgegenstände, die durch ihre Zweckentfremdung einen neuen Aussagehalt bekommen.

Der Blick bleibt zuerst an einer Konstruktion aus einer schweren Stahlfeder und einer Gliederkette, auf der filigran ein Schmetterling sitzt, hängen. Als Symbol für den Prozess des Erwachsenwerdens verdeutlicht die Komposition eine frühe menschliche Erfahrung der Isolation, nämlich den Übergang von der wohlbehüteten Kindheit zum eigenständigen Dasein als Erwachsener, der von nun an selbstbestimmt sein Leben bestreitet.

Kleine, gerahmte und nebeneinander gehangene Fotografien stehen sich, räumlich von der Metallkette geteilt, thematisch gegenüber. Sie verweisen ebenfalls auf die unterschiedlichen Lebensabschnitte, Kindheit und Erwachsensein und auf den Übergang vom einen ins andere. Dieses Thema wird in vielen weiteren Objekten aufgegriffen. Der schneckenförmig aufgerollte Karategürtel auf dem Schachbrett vermengt Spiel und Ernst. Beide Aktivitäten verbinden Angriff und Verteidigung, sind strategisch, hart und spielerisch zugleich.

Bei genauerem Hinsehen fallen darüber hinaus viele kleine Details und Anspielungen auf, die künstlerisch Platziertes und räumlich Gegebenes miteinander verbinden. In der Ecke ein Rucksack, in dem eine eingerollte Europaflagge steckt, dahinter das Lüftungsgitter der Tür. Ein Migrant mit seinem wenig Hab und Gut, die verhoffte Freiheit im Dahinter ahnend, vor den verschlossenen Toren Europas?

Die quaderförmige Sitzbank lädt zum Verweilen ein und dient mit dem Hinweis auf Soft-Fill-Material als optische und thematische Brücke für Gedanken zur Isolation. Eine halbrunde, an einen Tunneleingang erinnernde Fläche, auf der einen Seite schwarz, auf der anderen gelb, vermittelt die dichotome Auslegung des Themas. Vermittelt die schwarze Seite ein Gefühl der Verlorenheit und Einsamkeit, evoziert die Gelbe Gedanken an das Licht am Ende des Tunnels. Beide Gefühle werden durch die Isolationsschicht darüber verstärkt, die Alleinsein und Geborgenheit manifestiert.

Isolation bedeutet also nicht zwingend etwas Negatives, heißt nicht automatisch Alleinsein oder einsam sein. Vielmehr stellt die Installation Fragen nach Verortung und Positionierung in der Welt, oder schlicht: Welche Verbindungen möchte ich eingehen? Gleichfalls stellen wir uns mit ihr Fragen nach Solidarität und nach dem Willen, Gemeinschaft zu erhalten und so der Gefahr der Vereinsamung und des Misstrauens entgegenzuwirken.

Vielleicht bietet die Installation gerade in der heutigen Zeit einen hoffnungsvollen Ausblick, zeigt die andere, hellere Seite der Medaille und ermutigt die Betrachter*innen dazu, die dunkle Seite nach hinten zu wenden.

„BIS AUF WEITERES GESPERRT“ / DREILÄNDERECK, 2020

Die beiden Skulpturen, „Bis auf weiteres gesperrt“ und Dreiländereck, welche für die Gruppenausstellung angefertigt worden sind, beziehen sich zum einen auf die Immobilität während der Grenzschließungen und fragen zugleich hoffnungsvoll, wann und wie eine Zusammenkunft wieder stattfinden kann.

Die Betonbrücke „Bis auf weiteres gesperrt“ hat ihren Sinn des Verbindens scheinbar verloren. Auf der besuchergewandten Seite abgebrochen, auf der anderen jäh in der Wand endend, verweist sie auf den plötzlichen Abbruch der Übergänge zwischen den Staaten im Dreiländereck. Eine leere Sitzbank, die sich unterhalb der Brückenskulptur befindet, unterstreicht jene Leere, die durch den mangelnden interkulturellen Austausch im realen Leben entsteht und möchte zugleich sehnsüchtig Platz für Gespräche bieten. Ein Gegengewicht zur rigiden Betonstruktur der Brücke bildet ihr rollendes Fundament. Der Plattformwagen ist das mobile Element der Installation und zeigt in seiner Eigenschaft den Wunsch an, der ihres eigentlichen Sinnes entrückten Brücke eine verbindende Funktion zu restituieren.
Die Betonskulptur Dreiländereck zeigt ebenfalls mehrere Abbruchstellen und stellt auf den sichtbaren Flächen durch additive Farbmischung die Flaggen der Nachbarländer Schweiz, Frankreich und Deutschland dar. Die drei Flächen laufen auf die Spitze der Skulptur zu, in der sie nicht mehr voneinander unterscheidbar sind. In diesem Punkt der Gleichwertigkeit steckt eine Rose, die dem Beton entspringt.

Ein Handkarren, der die Installation trägt, macht das Modell sinnbildlich übertragbar.


Fünf Fragen an Max Siebenhaar:

Hast du in den vergangenen sechs Monaten staatliche Hilfen beantragt? Wenn nicht, warum nicht ? Gab es in dieser Zeit ausgefallene oder verschobene Ausstellungen, Veranstaltungen, Stipendien, Jobs, Reisen? Konntest du Arbeiten verkaufen?
Da ich im Jahr 2020 mehr selbständigen Tätigkeiten nachgegangen bin, dadurch auch mehr Geld verdient habe als im Vorjahr 2019 – damals habe ich mich noch in einer Festanstellung befunden –, konnte ich die Förderkriterien der verschieden Corona-Hilfen nicht erfüllen und somit auch keine Gelder wie beispielsweise die Neustarthilfe erhalten.
Durch die aktuelle Situation haben sich für mich viele Aspekte bezüglich Ausstellungen, Veranstaltungen, Stipendien, Jobs und Reisen nicht ergeben können. Zu jedem der genannten Punkte kam es für mich zu absolut gravierenden Verschlechterungen. Der Kunstmarkt ist so eng mit den Begegnungen an den für sie vorgesehenen Orten verwoben, dass es durch den ausbleibenden Austausch, der bei Ausstellungen und anderen kulturellen Veranstaltungen sonst üblich ist, auch zu keinerlei Privatankäufen meiner Kunstwerke kam. Ich bin sehr dankbar über den Ankauf von zwei meiner Arbeiten durch das Regierungspräsidium Freiburg.

Hat sich dein Arbeiten während des letzten Jahres verändert? Wie?
Ich stand nicht nur mit meiner selbstständigen Tätigkeit als freischaffender Künstler vor nie dagewesenen Herausforderungen und der Überlegung, Situationen komplett neu zu denken und letztendlich auch anders auszuführen, sondern habe diese Veränderungen ebenfalls mit unserem im vergangenen Jahr neu gegründeten, gemeinnützigen Verein DELPHI e.V. erfahren müssen.
Es war und bleibt in beiden Bereichen anstrengend, sich den ständig ändernden Auflagen der Hygienemaßnahmen anzupassen.
Der Lockdown hat viele meiner Ideen und Pläne auf Eis gelegt und trotzdem habe ich dieses Eis genutzt, um scheinbar zerbrochene Aktionen wieder ins Schlittern zu bekommen, ohne dabei Gefahr zu laufen, anderen Personen durch meinen Aktionismus wortwörtlich zu nahe zu kommen.

Wie hast du Solidarität erfahren?
Derzeit erfahre ich hauptsächlich Solidarität von meiner Familie, meinem Team von DELPHI_ space, meinen Freunden und deren Verwandten. Gefühlt ziehen sich die unterschiedlichen Kreise immer enger zusammen und selbst in den eigenen Reihen finden teilweise stringente Abgrenzungen statt, die eine gewöhnliche Zusammenarbeit und auch die damit einhergehenden Freizeitaktivitäten unterbinden.
Trotzdem erfahre ich von meinem Familien- und Freundeskreis ein Empowerment, welches sich aus den aufbauenden und fürsorglichen Gesprächen und Handlungen ergibt. Vor Corona haben sich genau diese Kreise vermischt und überschnitten, im Moment fühlt es sich eher so an, als würden sich diese vielen Kreise abstoßen, keine Vielfalt ermöglichen und durch die fehlende Aneinanderreibung der Individuen keine Energien und somit auch keine Wärme erzeugen – diese Wärme fehlt mir unheimlich.

Welchen Einfluss hat der langfristige Lockdown auf den Austausch mit anderen? Was macht das mit der Kunstszene?
Der Lockdown ist wie ein Hubba-Bubba Kaugummi: Er vermittelt erst einen intensiven Geschmack, schmeckt kurz auch ganz ok, verliert dann komplett an Geschmack, schmerzt bei längerem Kauen im Kiefer, so dass man beginnt damit albern herumzuspielen, Blasen bläst –plopp. Er wird dann von zusammengekniffen Zähnen festgehalten, um ihn in die Länge zu ziehen. Wenn man ihn am Ende ausspuckt, hat er nicht nur an Geschmack, sondern auch an Farbe verloren – ich bin gespannt, unter welche Tischkante er noch geklebt wird oder in welchem Profil er schlussendlich unbemerkt kleben bleibt. Kinderarme sind auf alle Fälle viel zu kurz, um ihn bis an sein Ende in die Länge zu ziehen und ich habe auch echt kurze Arme.

Die Kultur- und Kunstszene war schnell und hart vom Lockdown betroffen und ist es nach wie vor, bislang unabsehbar. Ist das okay, oder wie hätte ein anderer Umgang mit Kunstschaffenden aussehen können? Wie soll es weiter gehen, was muss anders werden?
Es sollte für alle Kulturbetriebe ein annehmbares Konzept entwickelt werden, was zulässt, unsere Bedürfnisse wieder mit diesen wunderbaren Momenten zu füllen und in uns, wenn auch nur über Blickkontakte, ein Gefühl von Gemeinschaft entstehen lässt. Vielleicht kann uns die Kultur ein Leuchten in die Augen zaubern, dass dann die derzeit nicht empfohlenen Umarmungen ersetzt.

Corona Studios II ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg.