Modern Love (or Love in the Age of Cool Intimacies).
Museum für Neue Kunst, Marienstr. 10a, Freiburg.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Verlängert bis 18. April 2021.
www.freiburg.de/museen
Die Liebe ist, obwohl sie jeder zu kennen glaubt, doch immer eine große Unbekannte und als persönliches und gesellschaftliches Phänomen in ihrer Darstellung und Bewertung einem ständigen Wandel unterworfen. Das Museum für Neue Kunst in Freiburg betrachtet das vielbesungene und doch oft nur belächelte Gefühl durch die Lupe der zeitgeistigen kapitalistischen Verwertung und fragt, wie wir, geprägt von Technologie, Internet – the cold intimacies ‒ und dem immer weiter fortschreitenden Verwischen von Privatem und Öffentlichem das Für- und Miteinandersein erleben. Wie können sich solche nicht marktrelevanten Sehnsüchte nach Nähe, Geborgenheit und Verständnis in unserer vielfältigen Wirklichkeit behaupten?
In Laura Cemins (1992) Installation „persistence of memory“ brauchen trotzige Einsame keine menschlichen Berührungen mehr, um Wärme zu verspüren. Heizdecken, Wärmflaschen und Schwitzgürtel sind wie umarmende Figuren ineinander gelegt und suggerieren Liebkosungen als falsches Versprechen der Distanzlosigkeit. Jedoch bleiben sie am Ende als Hilfsmittel nur leblose Hüllen, die keine echte Intimität schenken können. Immer wieder nimmt die Ausstellung Bezug auf diese Art dinghafte Körperlosigkeit, ohne jedoch die Liebe als etwas rein Geistiges zu verstehen. Das Oszillieren zwischen den rohen, körperlichen Bedürfnissen und dem Ersatz der Nähe durch Technologie lässt Erotik als etwas Überholtes erscheinen, sie wird durch funktionale Triebbefriedigung ersetzt. Was du bekommst, ist nicht, was du brauchst. So zeigen David Haines (1969) Portraits junger Männer leere Gesichter, weil sie sich vor ihrem kleinen schwarzen Tor zur Welt durch die unendlichen Möglichkeiten des online verfügbaren Angebotes swipen und doch nur essenzielle Einsamkeit erfahren. Die dargestellten Körper sind sichtbar und doch abwesend. In ihrem Multimedia Projekt „Family Portraits“ komprimiert Maria Mavropoulou (1989) dieses Verschwinden des Individuums hinter den Geräten, indem sie in ihren Fotografien nur noch kalte grell-weiße Bildschirme als unsere stummen Stellvertreter in sozialen Strukturen erscheinen lässt. Als Gegenpol zu der allumfassenden Entfremdung kann der von Regisseur Gabriel Abrantes (1984) konzipierte Film „Liberdade“ verstanden werden. Abrantes stellt die emotionale Spannkraft zwischen zwei Menschen in breitflächiger cineastischer Ästhetik, flirrend elementar und gerade in seiner Absurdität und Intensität als etwas gleichzeitig Grausames und Wunderschönes dar. In einer dystopischen Gegenwart irgendwo in Angola treffen die Welten einer jungen Chinesin und eines Angolaners aufeinander und verschmelzen trotz oder gerade wegen ihrer Gegensätze zu einer berührenden, postkolonialen Fabel voller romantischer Tristesse. Auch wenn die Gegenwart uns unterkühlt und verloren erscheint, gibt es sie irgendwo doch noch, die Hoffnung auf das Wahre, Gute, Schöne.
[Martha Martin-Humpert]