Ignacio Acosta

Porträt
10. Oktober 2020
Text: Annette Hoffmann

Ignacio Acosta: Archaeology of Sacrifice.
ZF Kunststiftung im Zeppelin Museum, Seestr. 22, Friedrichshafen.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 6. Dezember 2020.

www.zf.com/kunststiftung
www.ignacioacosta.com

Ignacio Acosta (*1976) reist viel. Insofern treffen ihn die Beschränkungen, die die Verbreitung des Coronavirus unterbinden sollen, schwer. Doch wer viel unterwegs ist, lernt auch zu improvisieren. Er sei gerade dabei, sich an die neuen Bedingungen anzupassen, sagt Acosta im Gespräch. Wer sich seine Homepage ansieht, ahnt, was das heißt. Denn eigentlich wäre 2020 ein umtriebiges Jahr für den in London lebenden chilenischen Künstler gewesen. An das Stipendium von La Becque im Kanton Waadt hätte sich das der ZF-Kunststiftung angeschlossen und in Deutschland wollte er über den Kohleabbau recherchieren. Der Lockdown verhinderte es, stattdessen ist er kürzlich von Friedrichshafen nach Herbertingen gefahren, um sich die Heuneburg anzusehen.

Die Kelten werden ihn vermutlich noch länger beschäftigen. Denn, was er in der Nähe seines Residenzstipendiums am Genfer See entdeckte, ist von einer Symbolik, die sich geradezu aufdrängt. Bei Notgrabungen an einem Steinbruch am Mormont entdeckten Archäologen 2006 neben vielen Artefakten auch eine Kultstätte der Helvetier aus der späten Eisenzeit. So ganz weiß man nicht, was hier passiert ist. Ob die menschlichen Opfer Unglück von der Gemeinschaft abwenden sollten? Ob sie eine drohende Invasion der Germanen verhindern sollten? Wer sich jedoch wie Acosta mit Bergbau und Archäologie befasst, war der Wettlauf der Wissenschaftler und des Zementherstellers, der sich ein neues Areal erschließen wollte, frappierend. Archäologiepinsel gegen Baggerschaufeln. Für Acosta ein eindeutiger Shift vom Opfer an die Erde hin zum Opfern der Erde. Und dies während einer Pandemie, die viel mit unserem Lebensstil der Globalisierung und der Ausbeutung der Natur zu tun hat. Acosta hat all dies in der Zwei-Kanal-Installation „Archaeology of Sacrifice“ bearbeitet, die im Rahmen des ZF-Kunststipendiums im Zeppelin Museum in Friedrichshafen zu sehen ist.

Es gehe ihm nicht darum, zu urteilen oder Fragen zu beantworten, sondern sie zu stellen, sagt Acosta. Bevor er Künstler wurde, war er Aktivist. In Chile auf die Auswirkungen des Bergbaus zu stoßen, ist nicht schwierig. Ganz Chile sei eine Bergbauregion, sagt Acosta. Er, der sich als Künstler mit wissenschaftlichem Hintergrund bezeichnet, wurde an der Universität Brighton mit einer Arbeit promoviert, die sich mit der Ausbeutung von Kupfer in Chile und England befasst. Ihr Untertitel lautet „eine fotografische Studie des Bergbaus“. Unsere Umgebung ist nie unberührte Natur, doch Acosta spricht von politischen Landschaften. Er macht sie lesbar durch Narrationen, die neben Fotos und Videos Karten, Modelle, Dokumente, Sound und Text einbeziehen. Es sind Regionen wie etwa die Gebiete Nordschwedens, in denen die Samen ihre Rentiere weiden. Holzwirtschaft, Wasserkraft und Bergbau haben die Wälder schrumpfen lassen und zerstört.

Für „Drums and Drones“ (2018) nutzte er Drohnen, so wie auch die Samen ihre Traditionen mit neuen Technologien verbinden. Für Acosta war es ein Akt der Selbstermächtigung, die Technologie nicht allein dem Militär oder den Bergbaufirmen zu überlassen. Er ist Zeuge eines Widerstands, der die indigene Bevölkerung mit Aktivist*innnen von Extinction Rebellion vereint. Die Kamera ist ein Mittel der Sichtbarmachung und ein Werkzeug, Missstände öffentlich zu machen. Acosta ist dabei nicht allein. Dazu ist er zu sehr Aktivist, er ist gut vernetzt und arbeitet mit Menschen ganz unterschiedlicher Kenntnisse zusammen. Mehr noch, seine Kunst entwickelt sich entlang dieser Kollaborationen.