Thu Van Tran: Novel Without a Title.
Sharif Waked: Halftones.
Kunsthaus Baselland, St. Jakob-Str. 170, Basel-Muttenz.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 15. November 2020.
Zwischenzeitlich sind sie selbst so etwas wie eine Sehenswürdigkeit geworden, die kein Reiseblog unerwähnt lässt. Die unzähligen Maids, die überwiegend von den Philippinen stammen und in Metropolen wie Hong Kong arbeiten. Wo sie mehr oder weniger unsichtbar den Haushalt schmeißen oder Büros putzen. Den Sonntag, ihren einzig gesetzlich geregelten freien Tag in der Woche, verbringen die Frauen im öffentlichen Raum. Und wo sollten sie auch anders hin? Ein Zuhause gibt es nicht, nur einen Arbeitgeber. Auf ausgebreiteten Pappkartons lassen sie sich in den Innenstädten nieder, manchmal vor den Läden der Luxusmarken, manchmal auf Plätzen, sie tauschen selbst zubereitetes Essen und Neuigkeiten aus der Heimat aus.
Als sie das letzte Mal in Hong Kong war, fielen Thu Van Tran (1979) diese Zusammenkünfte auf. Thu Van Tran, die als Kleinkind mit ihren Eltern aus Vietnam 1981 nach Frankreich floh, dürfte die Ambivalenz dieser Treffen ins Auge gestochen sein. Einerseits hat die gelebte Solidarität der Frauen etwas Anrührendes, andererseits kann diese nur notdürftig bemänteln, dass die Hausangestellten ausgebeutet werden. „Maids Day“ erzählt ihre Geschichte jenseits aller Agitation. Auf dem Blau der großformatigen Photogramme sind die Pappunterlagen als hellere Flächen auszumachen, manchmal überlagern sich mehrere. Sie stammen aus Hong Kong, von dort hatte die Künstlerin die Kartons mit in ihr Atelier genommen, wo sie auf manchen der behandelten Fotopapiere zudem Figuren stellvertretend für die Frauen arrangierte. Tran verallgemeinert ihre biografische Erfahrung von Heimatverlust und Kolonisierung in Arbeiten, die sich auf die Suche nach einer eigenen Stimme machen und dennoch sehr formbewusst sind. Im Kunsthaus Baselland liegen die Arbeiten der Serie „Novel without a Title“, die der Ausstellung ihren Titel gab, auf dem Boden. Es sind Bronzeabgüsse von Bananen- und Kautschukblättern. Die Pflanzen wurden während der Kolonialzeit in Vietnam in großen Plantagen gezogen. Die Skulpturen, die das Aussehen abgestorbener Blätter haben, spielen aber auch auf die Vernichtung des Waldes durch das Gift Agent Orange während des Vietnamkrieges an.
Thu Van Tran und Sharif Waked (1964), dessen Arbeiten im Untergeschoss zu sehen sind, verbindet ein Interesse an Sprache. Während Tran Bilder gegen die Sprachlosigkeit von Marginalisierten setzt, ist der israelische Künstler in seiner Ausstellung „Halftones“ pointierter. So setzt sich seine Serie „Arabesque“ aus einzelnen Fotos der gleichnamigen amerikanischen Serie zusammen, die wiederum ein Muster ergeben, das an die arabische Tradition gekachelter Wände anspielt. Schaut man jedoch durch die eigene Handykamera auf diese Bilder liest man einzelne Wörter wie „Breathe“ oder „Settlers“. Es sind politische Kassiber gegen den Rassismus in den USA und die Siedlerbewegung in Israel. Mit derartigen Statements kommt Waked an ein Ende, wenn er die Videos des IS von der Zerstörung von Kulturgütern in Mosul mit Smileys kommentiert. Während ein Vandale das gesichtsförmige Relief hoch oben an einer Wand mit brachialer Gewalt abschlägt, hüpft ein gelbes Emoji auf und ab als könnte es den Frevel ungeschehen machen. Die ikonischen Ähnlichkeiten zwischen dem Smiley und dem archäologischen Artefakt sind überraschend. Doch angesichts des unwiederbringlichen Verlusts von Kulturgütern wirkt das naiv. Man merkt aber auch, dass Sharif Waked, der in seinem Geburtsort Nazareth und Santa Barbara lebt, eine Ahnung von der Schizophrenie politischer Konflikte hat und der Symbolik, derer sich die jeweiligen Parteien bedienen. Seine Arbeiten sind vielfach eine Spurensuche nach dem, was unberührt oder übrig bleibt. In seinem Video „Just a Moment No. 4 (Away from You)“ verarbeitet er Found Footage von einem Auftritt der ägyptischen Sängerin Umm Kulthum. Vom Wirken der hochverehrten Diva, die 1975 starb, bleibt hier nicht mehr als das Wippen ihres Fußes und der Saum ihres Kleides. Doch vielleicht liegt in dieser Vorläufigkeit auch etwas Tröstliches.