Taro Izumi: Das Auge der Welt

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4. Oktober 2020
Text: Christiane Grathwohl

Taro Izumi.
Museum Tinguely, Paul-Sacher-Anlage 1, Basel.
Dienstag bis Samstag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 15. November 2020.

www.tinguely.ch

Zu den Orten, die unsere Gesellschaft und Kultur widerspiegeln, gehören die Theater. Durch die Pandemie sind sie von einem Tag auf den anderen unbetretbar geworden. Was macht das mit uns? Im Basler Museum Tinguely denkt der japanische Künstler Taro Izumi (*1976) über diese Frage nach und versucht der Leere in diesen Räumen eine Form zu geben. In der Haupthalle des Museums platziert er eine imposante Installation. Hinter einer weißen Wand, hoch aufragend, mit briefkastenschlitzartigen Öffnungen ist zunächst ein aus zusammengenagelten Brettern improvisierter Bühnenboden zu sehen. Einige immergrüne Topfpflanzen sind verteilt und auch ein ausgestopfter Fuchs findet sich in einer Ecke. Auf der Bühne stehen außerdem drei Monitore, auf denen bunte Standbilder leuchten. Zur Installation gehören außerdem fünf im Halbkreis davor aufgestellte Stühle und ein seltsam anschwellendes, dominantes Rauschen. Dieses Geräusch ist das Ergebnis eines Experiments. Von einer großen Zahl angefragter Theater beteiligten sich 400 an Izumis Projekt. Eine Person ausgestattet mit einem Aufnahmegerät setzte sich in den leeren Besucherraum und zeichnete zehn Minuten die im Raum herrschende Stille auf. Alle Aufnahmen aus den leeren Räumen zusammengeführt ergeben das sogenannte weiße Rauschen. Das Unmögliche wird möglich, wir können die Stille hören. Das Rauschen ist das dokumentierte Nichts. Auch eine Installation mit in Plexiglaskästchen eingeschlossenen Billardkugeln, die auf dem Boden im Raum verteilt sind, thematisiert die Auswirkungen von Covid-19. Ein Sinnbild für die Isolation und Vereinzelung. Unbeschwertes, gemeinsames Spielen geht nicht mehr, für lange Zeit.

Izumi befasst sich in seiner Arbeit mit kaum zu fassenden Phänomenen. Wie kann der Zustand des Wartens ausgedrückt werden? Ist es möglich über Bildschirmkontakte Nähe zu erzeugen? Was ist mit den Lebewesen und Dingen, die von einem Tag auf den anderen verschwinden? Die Vermisstenanzeigen im öffentlichen Raum für Tiere, meist Katzen, beeindruckten den Künstler so, dass er sie in einer Wandarbeit, die er „the world’s eye“ nennt, verarbeitet. Existieren diese Tiere noch? Wo sind sie? Dieser Schwebezustand zwischen Leben und Tod, die Unklarheit, der Raum für Hoffnung, der aus diesen Plakaten spricht, fasziniert ihn. Das Thema der Transformation und ihre Möglichkeiten sind auch im Ausstellungstitel „Ex“ enthalten. Ein Spiel mit Assoziationen, Vergangenheit, Ausgang (Exit) und auch Dasein (Existenz), Izumi fordert heraus. Auf diese Ausstellung muss man sich einlassen, sie eröffnet sich einem nicht sofort und auch die kurzen Saaltexte genügen oftmals nicht. Doch was man nicht versteht, kann man erfragen. Dann öffnet sich das Denken in ungewohnte Richtungen und das macht Spaß.