Pedro Reyes

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20. August 2020
Text: Annette Hoffmann

Pedro Reyes.
Museum Tinguely, Paul-Sacher-Anlage 1, Basel.
Dienstag bis Samstag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 15. November 2020.

www.tinguely.ch

Pro Jahr werden gut 200.000 Waffen von den USA nach Mexiko geschmuggelt. Dort tun sie ihre Diens­te bei Kartellen und Banden, die im Drogenhandel oder im Erpressungswesen tätig sind. 100 Menschen werden täglich in Mexiko ermordet. Da fragt man sich natürlich, wozu soll nochmal diese Mauer zwischen Amerika und Mexiko dienen? Doch Häme ist nicht nur angesichts des Leides, das von diesen Waffen ausgeht, unangebracht,
im Basler Museum Tinguely kann man derzeit sehen, woher sie eigentlich stammen. Und Europa ist gut dabei.

„Return to Sender“ heißt sinnfällig die Ausstellung von Pedro Reyes (*1972). Seit gut 13 Jahren befasst sich der Mexikaner mit Waffen und der omnipräsenten Bandenkriminalität in seinem Land. 2007 initiierte er mit Behörden der Stadt Culiacán eine freiwillige Abgabe von Gewehren, die eingeschmolzen und zu Schaufeln gegossen wurden. Mit den Schaufeln wiederum wurden Bäume gepflanzt. In Basel wird das Projekt „Palas por Pistolas“ nun mit einer Kastanie im Park fortgesetzt. Doch der eigentliche Schwerpunkt dieser kleinen Schau, die in enger Verbindung zu Jean Tinguelys Totentanz steht, liegt auf Reyes‘ Musikinstrumenten. Ein ganzes Orchester ist im Museum Tinguely aufgebaut, das aus diversen Bestandteilen von Waffen zusammengesetzt ist. Selbst Munitionsboxen finden in „Disarm“ eine Verwendung, abgesägte Läufe bilden die Klöppel eines Xylophons und die Ständer der Instrumente sind aus Gewehren zusammen gebaut. Es klingt ziemlich sphärisch, was hier selbsttätig zu einer zehnstündigen Komposition vereint wird. Darüber hinaus sind in Basel mehrere Musikautomaten zu sehen, die messingfarben vor sich hin schimmern und deren Stücke mit den Waffen korrelieren, aus denen sie bestehen. Mozart zu Glock, Vivaldi zu Beretta und Matter zu Karabiner. „Disarm Music Box“ ist auch hier Handlungsanweisung und Statement zugleich.

In seinen Workshops versuche er, so hat Reyes einmal gesagt, Pointen zu erzeugen, um traumatische Situationen mit Humor begegnen zu können. Für seine Kunst gilt dies umso mehr. Pedro Reyes‘ eigentliches künstlerisches Feld ist die Gesellschaft. Der ausgebildete Architekt versteht Kunst als Kommunikationsübung. Entsprechend eindeutig wirken seine Antworten auf komplexe Fragen. Doch aus Reyes‘ pazifistischer Sicht ist eine Welt ohne Waffen zweifellos die bessere. Insbesondere seine Installation „Disarm“ hat über die symbolische Aussage hinaus eine bizarre gespenstische Form, die auch etwas von der Automatisierung von Gewalt erzählt, die freigesetzt wird, ist sie erst einmal in der Welt.