Cosima von Bonin und Claus Richter: Wenn Elefant und Orchidee tanzen

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27. Juni 2020
Text: Nora Gantert

Cosima von Bonin / Claus Richter: Thing 1 + Thing 2.
Kunsthalle Nürnberg, Lorenzer Str. 32, Nürnberg.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 26. Juli 2020.

www.kunstkulturquartier.de/kunsthalle

Schön bunt, ordentlich schrill und viel zu sehen gibt es diesmal in der Kunsthalle Nürnberg. Cosima von Bonin (*1962) und Claus Richter (*1971) verbindet eine langjährige Freundschaft, die sie in Nürnberg mit großem Genuss für die Besucher*innen öffentlich zelebrieren. Die Werke von Cosima von Bonin und Claus Richter fügen sich in den Ausstellungsräumen nahtlos zu einem großen Kunstparcours zusammen und trotz des suggerierten Durcheinanders sind es vor allem die Komposition der Werke und die verschiedenen Sichtachsen im Raum, die die Arbeiten immer wieder neu in Beziehung setzen. Nicht nur die verwendeten Materialen sind in „Thing 2 + Thing 2“ verwandt, sondern auch ihr Repertoire, der Hang zur Popkultur und zum „Übersteuerten“, in dem das Schöne ins Gruselige kippt, das Bekannte ins Fremde und das Begehrte ins Gefürchtete.

„Dark Rides“, Fahrgeschäfte in Vergnügungsparks, die die Besucher*innen in eine andere nachgebaute Welt entführen, sind eine häufige Inspiration für Claus Richter. So betritt man die Ausstellung durch eine Installation, die eine kleine mit Ratten verseuchte, englische Gasse aus dem frühen 19. Jahrhundert nachempfindet. Allerding bekommen wir hier Perspektiven zu sehen, die in Vergnügungsparks tunlichst vor den Augen aller verdeckt werden sollen: Der Außenbau, der Blick hinter die Kulissen der kleinen Architektur ist sichtbar gelassen, sodass Spanplatten, Neonröhren, Klebebänder und andere funktionale Teile die Illusion brechen noch bevor sie entsteht und stellen den potemkinschen Charakter des Durchgangs in den Vordergrund.

Kinetische Figuren folgen auf begehbare Installationen und riesige Stoffgemälde. Im Hauptraum schließlich kann der Blick durch den Raum gar nicht alles fassen, was sich hier versammelt hat. Von Bonin und Richter zeigen ein Sammelsurium an Werken und Installationen, die sich zu einem fantastischen Kinderzimmer verdichten: Geschenke türmen sich zu unübersichtlichen Gebirgslandschaften, in der Mitte des Raumes liegt ein riesiger Plüschhase aufgebahrt auf einem Tisch. Ballonelefanten ziehen in einer Ecke über den Boden, neben dem Eingang empfängt einen eine singende Orchidee, in der anderen Ecke des Raumes scheint ein Satellit unsanft gelandet zu sein und blinkt und piept kläglich vor sich hin. Die titelgebenden Thing 1 und Thing 2 sind die wahnwitzigen Begleiter aus dem Kinderbuch Dr. Seuss‘ „Cat in the Hat“, das erstmals 1957 in den USA erschien. Die beiden Zwillinge bringen das wohlgeordnete bürgerliche Haus nicht nur in Unordnung, sondern stürzen es in größtes Chaos. Wie Thing 1 und Thing 2 treten von Bonin und Richter in der Ausstellung als sich ergänzende Chaos stiftende Zwillinge auf, sodass sich auch die Besucher*innen irgendwann zusammen mit der kinetischen Figur des „Entertainers“ (Richter, 2015) fragen „Entschuldigen Sie bitte wissen Sie wo ich hier bin?“.

Von Bonins und Richters Beschäftigung mit Kindheit, Jugend und der Popkultur der 1980er und 90er Jahre ist der Ausstellung tief eingeschrieben. Es wimmelt nur so von Anleihen und Verweise auf Kinderspiele und Filme. Besonders gewinnbringend ist daher die kleine Begleitbroschüre zur Ausstellung, die in Form eines alphabetischen Glossars die wichtigsten Figuren und Inspirationen der beiden auflisten. So wird von A bis Z das hinter der Kunst liegende intellektuelle und popkulturelle Ideennetz sichtbar, aus dem sich von Bonins und Richters Kunst speist. Beim Lesen wird deutlich, dass die Ideen keineswegs bei den 1990er Jahren enden, sondern dass sich Richter und von Bonin durch vielfältige Kooperationen mit anderen einflussreichen Kulturschaffenden, wie der Band Tocotronic und der Schriftstellerin Sibylle Berg am Puls der Zeit bewegen. Durch die Verknüpfung mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen wie Vereinsamung, Rückzug ins Infantile, Umgang mit Medien und Überfluss an materiellen Dingen wird kein Platz gelassen für schlichte Nostalgie.