The Kalpana. In desert times: Vorstellungen bilden

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25. Juni 2020
Text: Annette Hoffmann

The Kalpana. In desert times.
Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21, Freiburg.
Dienstag bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 12.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 12. Juli 2020.

www.kunstvereinfreiburg.de

Von dem ersten sumerischen König Etana erzählte man sich, dass er auf dem Rücken eines Adlers in den Himmel flog und je höher er kam, sein Reich und die Erde anders schilderte. Was ihn zuerst noch an eine Miniaturwelt erinnerte, wurde zu einem Garten. Als er die Erde nicht mehr sehen konnte, wünschte er sich zurück, berichtet Vadim Oswalt in seinem Buch über Weltkarten und Weltbilder. Wir wollen beides, den Überblick, aber auch die sinnliche Erfahrung, die wir an dem konkreten Ort machen, über den Dingen schweben und mittendrin sein. Die Bewohner der Salzwüste Rann von Kachchh beschrieben diese aus der Vogelperspektive als Schildkröte. Auch sie müssen die Sehnsucht in sich gespürt haben, eine Übersicht über ihren Lebensraum zu gewinnen und verstanden diesen zugleich als Organismus. Im Kunstverein Freiburg steht in der Ausstellung „The Kalpana. In desert times“ die Karte der Wüste nun zumindest auf zwei Schildkrötenfüßen.

Goutam Ghosh, Susanne M. Winterling und Bodhisattva Chattopadhyay haben von ihrer Feldforschungsreise in diese an der Grenze zwischen Indien und Pakistan gelegene Salzwüste Erfahrungen und Beobachtungen mitgebracht, die sie auf der Tischplatte als Artefakte ausbreiten. Darunter seltsame Hybridwesen, Mangrovenwurzeln, rätselhafte Tontafeln mit verschiedenen Plateaus, Tierspuren aus der Salzmarsch sind in das Glas eingraviert. Die großflächige industrielle Gewinnung von Salz zerstört ihren Lebensraum. Und dann sind da noch Leuchtröhren, die die Farbe wechseln. Es sind Anspielungen auf Susanne M. Winterlings liebste Objekte ihrer künstlerischen Forschung Dinoflagellaten, die die Fähigkeit zur Bioluminszenz haben. All das sind Setzungen, die in anderen Arbeiten der Ausstellung variiert werden.

Die Wüste als weißes Feld. Doch so wie man nur lange genug warten und schauen muss, bis man die Vielfalt an Leben erkennt, die dort wider Erwarten möglich ist, so ist in dieses Nichts immer schon eingeschrieben, was Menschen in der Lage sind, sich vorzustellen. Utopie heißt ja nichts anderes als Unort. Zeitgenössische Künstlerinnen wie Andrea Zittel und Mai-Thu Perret haben in Wüsten ihre ganz eigenen oder fiktiven utopischen Gemeinschaften verortet, von Wüsten starteten Raketen oder wurden Atombomben gezündet. Das Mögliche schließt auch das Dystopische ein.

In der Fotografie Susanne M. Winterlings „Saltline, eastwind on the desert“, die an der Stirnseite der Ausstellungshalle hängt und auf die man die ganze Zeit zuläuft, ist der Horizont die Linie, die das Salz vom Himmel trennt und das Bild in zwei Hälften schneidet. Sie ist nur schwach gezogen, denkt man sich den Ostwind dazu, kann man sich einen Raum vorstellen, der sich auflöst, in dem Orientierung kaum möglich ist. In „The Kalpana. In desert times“ ist die Fotografie der Fluchtpunkt. Unzählige Male in Science-Fiction-Filmen gesehen und auch etwas, auf das unsere Zivilisation in Zeiten des Klimawandels anscheinend zusteuert. Kalpana ist Sanskrit und bedeutet bilden, Vorstellung. Und damit ist auch angerissen, was das Kollektiv macht. Es findet Bilder. Aus der Überforderung dieser fremden Landschaft wirken diese oft beliebig und zufällig. So greift die in Sand eingefasste Wanne Goutam Ghoshs, die auf die Salzgewinnung anspielt, das Bildformat als Bodenarbeit auf, das sich wiederum in einem Bild an der Wand, einer Malerei auf Aludibond spiegelt.

Die Struktur, in die alles eingebunden ist, gleicht einem Text mit Anhängen, Fußnoten und Abschweifungen. So strahlt die Karte aus in eine Computeranimation, in der sich das 3D-Bild eines Hundes in einen Dinoflagellanten transformiert, die Leuchtröhren ziehen eine Verbindung zur Installation auf der Galerie, deren Licht das Wachstum von Pflanzen fördert. Alles ist mit allem verbunden, wechselt den Maßstab und die Perspektive und ist wie die imaginierte Himmelfahrt, ein Versuch, die Welt zu erfassen. Was man sichtbar werden lässt, was nicht, folgt dabei seiner eigenen Logik.