David Renggli: Bongos at the Lido

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8. Juni 2020
Text: Jolanda Bozzetti

David Renggli: Bongos at the Lido.
Villa Merkel, Pulverwiesen 25, Esslingen.
Dienstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 12. Juli 2020.

www.villa-merkel.de

Eigentlich müsste hier Musik laufen. Reggae vielleicht. Und eine Cocktailbar fehlt irgendwie auch. Tatsächlich war die erste Idee von David Renggli (*1974), im Lichthof der Villa Merkel einen Pizzaofen aufzustellen. Auf jeden Fall eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Einfach erstmal ankommen, ‘ne Runde chillen.

So wie „pink boy“: breitbeinig, mit den Händen nach hinten abgestützt, fläzt diese orange-rot-lila glänzende, gesichtslose Figur auf dem weinroten Teppichboden. Grundlage dieser, wie scheinbar unter zu starker Sonneneinstrahlung zerlaufenden Kunststoff-Plastik sind Studien zu Vogelscheuchen. Ist Unerwünschtes vertrieben, kann man in das runde Wasserbecken daneben, in den Wunschbrunnen, eine Münze werfen. Kann ja nicht schaden. Und wem der Fußboden doch nicht bequem sein sollte, stehen Sitzgruppen mit vom Künstler designten Möbeln zur Verfügung. Bilderrahmen, mit allerlei Collagematerial befüllt, wurden zu Tischplatten umfunktioniert. Um die niedrigen Tische gruppieren sich rosa und schwarze Gitterstühle, einige sind mit Kokosnüssen an den Armlehnen ausgestattet. Für zusätzlich entspannte Stimmung in dieser Lounge sind an den Wänden „good vibe gongs“ angebracht. Wie auf- oder untergehende Himmelskörper verteilen sich im gesamten Gebäude verschieden große, in unterschiedlichen Farben lackierte Stahlsphären. Aktivieren ausdrücklich erlaubt.

In den Galerieräumen wird es dann doch musealer. Großformatige „desire-paintings“ erzeugen mit ausgefeilten double-layers räumliche Illusionen. Acryl auf Holz und Jute-Netz. Malerei auf zwei Ebenen. Vorder- und Hintergrund, Umrisse und Schatten verschieben sich mit der Bewegung der Betrachtenden vor dem Bild gegeneinander. Die Wahrnehmung ein und derselben Farbe kann sich im Zusammenspiel mit der davor-, bzw. dahinterliegenden Farbe stark ändern. Visuelle Effekte, die an Op-Art-Phänomene erinnern, stellen sich ein. Thematisch kommt in diesen Bildern der im Ausstellungstitel angekündigte Lido ins Spiel: In einer Kombination aus abstrakten und figürlichen Elementen sind in beinahe allen „desire-paintings“ die venezianische Lagune und die charakteristischen Formen der Gondeln zu erkennen. Vor diesen Bildern verteilen sich im Raum schwarze, filigrane Metallskulpturen, die in ihrer dynamischen Linienführung Korrelationen zu den Gemälden herstellen. Der Titel „spell my name“ bringt sie explizit in Verbindung mit einer Signatur, die sich jedoch nicht entschlüsseln lässt und somit als materialisierte Geste, als gefrorene Linie im Raum schweben bleibt.

Im Obergeschoss ist eine eigens für diese Einzelausstellung entstandene Malerei-Serie zu sehen, die sogenannten „SUV-paintings“, allesamt auf motivisch bedruckten Bettlaken gemalt. Seine Kritik an den immer größer werdenden Autos transportiert Renggli mit einem subtilen Humor. Die sehr bunten, mit teilweise schrillen Farbkombinationen gemalten Bilder spielen mit Begehrlichkeiten und Sehnsüchten, die in den Werbestrategien der Autohersteller aktiviert werden. Mit Namen wie Macan (Javanisch für Tiger) oder Cayenne macht sich Porsche etwa ausdrücklich die positiven Assoziationen von Wildheit und Exotik zunutze. Eine inmitten dieser Bilder aufgestellte, mit Stroh und weiteren Kokosnüssen bedeckte Liege lädt jenseits der Autowerbung zum Träumen ein.

Und dann sind da noch die „insta-cats“. Als hätte er ahnen können, dass seine Ausstellung bereits kurz nach der Eröffnung wieder temporär schließen musste, hat David Renggli im gesamten Haus einige dauerhafte Besucher platziert: grinsende, weiße Katzenskulpturen mit schief blickenden Knopfaugen, die es sich auf den Treppenstufen bequem machen oder auch wie stellvertretende Betrachter vor den Gemälden hocken. Wären es nicht Skulpturen, würden sie ganz entspannt schnurren.