Corona Studios I: Jasmin Kraft

Jasmin Kraft, hi, how are you, 2020, Installation auf dem Balkon der Künstlerin, Courtesy the artist
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22. Mai 2020
Text: Jasmin Kraft

Jasmin Kraft, *1996, lebt, arbeitet und studiert in Freiburg.

Jasmin Kraft, hi, how are you, 2020, Installation auf dem Balkon der Künstlerin, Courtesy the artist

Ich lebe seit rund dreieinhalb Jahren mit meinem Mitbewohner zusammen, der sich am Fraunhofer Institut mit Solarsystemen beschäftigt und seit jeher eher selten etwas mitbekam von dem, was ich da eigentlich mache.
Er bepflanzt jedes Jahr einen beachtlichen Anteil unseres nicht ganz so großen Balkons und sorgte für das ein oder andere selbstproduzierte Gemüse. Kürzlich haben wir Ofenkartoffeln gemacht, die im Winter noch am Fenster seines Zimmers gewachsen sind.

Ich wollte meine Porträts, die auf etwa gleich großen Leinen-Stücken gemalt sind, an einer Wäscheleine gehängt auf unserem Balkon installieren und so in einen gemeinsamen Kontext einbetten. Das Schaffen kann ebenso banal sein wie die Erscheinung einer Wäscheleine in den eigenen vier Wänden, wo sich die Installation befindet und wo die einzelnen Teile entstanden sind. Ich mag, wie Schaffensort und Ausstellungsort miteinander verbunden sind.

Nachdem ich die Stücke aufgehängt hatte fiel mir auf, wie die Installation mit ihren Gesichtern und der Schrift im Wind und im Gegenlicht ihr Eigenleben bekam – für mich trug das zu einer ganz eigenen Komik bei. Daher entschloss ich mich, sie erst einmal mit meinem Mitbewohner, der bald nach Hause kommen würde, alleine zu lassen, da ich noch einen Termin hatte. Sie hing direkt vor seinem Fenster und bot ihm eine exklusive Situation.

Ich habe mich erst seit Beginn der Isolation mit dem Malen und Zeichnen von Porträts beschäftigt – als ein Gebiet, von dem ich mich lange Zeit ferngehalten habe. Der Wunsch, mich direkter mit Personen und Gesichtern zu beschäftigen, ist bereits vor dem Lockdown immer weiter gewachsen, aber mit diesem sind Fragen zu Verbindungen nach außen präsenter geworden.
Mit wessen Erscheinung möchte ich mich näher beschäftigen, und welchen Auswahlkriterien folge ich?

Gerade in den letzten Wochen, in denen direkter menschlicher Kontakt in vielen Fällen wohl gänzlich dem digitalen weichen musste, stellte sich mir auch mehr die Frage nach dem Analogen und dem Materiellen, aber auch das Selbstporträt wurde präsenter, da ich seit Beginn des Lockdowns mit sehr beschränktem Kontakt nach außen nun noch mehr Zeit für mich selbst hatte. Ich sah mich mehr mit eigenen Gedanken und immer wiederkehrenden Glaubenssätzen konfrontiert. Mit diesen möchte ich mich nun zunehmend beschäftigen.




Corona Studios I ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg