Circular Flow: Die Quadratur des Kreises

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27. März 2020
Text: Annette Hoffmann

Circular Flow. Zur Ökonomie der Ungleichheit.
Kunstmuseum Basel Gegenwart, St. Alban Rheinweg 60.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 3. Mai 2020.

www.kunstmuseumbasel.ch

Obgleich der Kreis als symbolische Struktur sinnstiftend und vollkommen erscheint, ist Misstrauen angebracht. Die Reisen rund um den Globus im 16. Jahrhundert lesen sich in Søren Grammels Einführung im Reader der Ausstellung als erster Sündenfall. Wurden sie doch nicht interesselos unternommen. Der Kreis steht in „Circular Flow. Zur Ökonomie der Ungleichheit“, die Grammel zusammen mit seinem Team kuratiert hat, nur vermeintlich für ein harmonisches Geben und Nehmen, für einen Austausch gleichberechtigter Partner. Sobald man den Kreislauf ökonomisch versteht, ist ihm Ungleichheit eingeschrieben.

Dass es auch anders gehen würde, verdeutlicht im Kunstmuseum Basel Gegenwart die Arbeit von Lisa Rave „Europium“. Ihr Film führt nach Papua-Neuguinea und stellt die Währung des einheimischen Muschelgelds dem westlichen Kapitalismus gegenüber. Sind die Meeresschnecken einmal auf Rattan­schnüre aufgezogen, werden sie nicht zu Kleingeld verscherbelt, sie sind ein symbolischer Wert, der unangetastet bleibt, während die eigentliche Transaktion einen Prozess des Tauschens auslöst. Es klingt wie ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet Meeresmuscheln die seltene Erde Europium enthalten. Im Laufe des Videos erklärt ein Wissenschaftler der Universität Bremen der Künstlerin die Gewinnung des Rohstoffes auf dem Meeresboden. Dort lagern Vorkommen, die unabhängig von China machen würden. Europium wird nicht allein als Sicherheitsfarbe auf unseren Geldscheinen eingesetzt, sondern hat seit den 1960er Jahren die Qualität von Bildschirmen verbessert. Rave integriert in „Europium“ Werbefilme für Fernseher und Smartphones. Die Brillanz der Farben wird jedes Mal mit idyllischen Naturszenen illustriert, einmal stößt eine Meeresschildkröte durch den Bildschirm ins heimische Wohnzimmer – auch dieses Bild ist offensichtlich nur ein weiteres Display – so lebensnah sind dank Europium die Bilder. Vom eigentlichen Habitat der Schildkröte dürfte nach der Ausbeutung des Meeresbodens nicht mehr viel übrig sein.

Nicht erst seit der gemeinsamen Ausstellung von Martha Rosler und Hito Steyerl 2018 – letztere ist in der Begleitpublikation mit ihrem Aufsatz „Duty-Free Art“ vertreten ‒  thematisiert das Kunstmuseum Basel Gegenwart seine eigene Rolle im Kunstsystem. Diese Auseinandersetzung setzt sich in „Circular Flow“ fort. Ironisch etwa durch ein Plakat Martin Kippenbergers für den Galeristen Daniel Buchholz, das A.R. Penck zitiert: „Die Kunst ist immer gut verkauft worden“. Weniger ironisch durch sehr viel spröde Seriosität, die vielleicht der Preis für eine solche Quadratur des Kreises ist. Keine Arbeit erklärt sich von selbst; der Reader, der weiterführen könnte, ist 200 Seiten stark und ausschließlich auf Englisch. Hinzu kommt, dass die Themenschau den Anspruch hat, die eigene Sammlung einzubeziehen. Tulpendarstellungen von Maria Sibylla Merian oder Drucke verschiedener Segelschiffe erfüllen die Funktion, mit der ersten Spekulationsblase und der Ausbeutung der Kolonien eine historische Achse einzuziehen.

„Circular Flow“ lässt sich mit Gewinn betrachten. Die 15 Positionen sortieren sich zu einer aufklärenden Tour de Force durch die Ökonomie der Gegenwart, Ursula Biemann folgt der Prostitution über den Globus und Wang Bing zeigt in seinem Dokumentarfilm „15 hours“ einen Arbeitstag in China in Echtzeit. Doch die Anforderungen sind eben auch hoch. Andreas Siekmanns raumgreifende Installation „In the Stomach of the Predators“ verlangt eine intensive Lektüre der Diagramme, die Ausbeutung von Arbeitern oder die Hegemonie großer Konzerne, veranschaulichen. Andere Arbeiten wie Claus Richters Modell „Omnia Peribunt“ sind eigens für die Ausstellung entstanden und illustrieren deren Grundgedanken von nicht versiegenden kapitalistischen Reizen, die zu Ausbeutung und Konflikten führen, geradezu deckungsgleich. Die Betrachterinnen und Betrachter werden hier doch sehr an der kurzen Leine gehalten.