Survival of the Fittest: Auf die Zuschauerbank verwiesen

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26. März 2020
Text: Nora Gantert

Survival of the Fittest.
Kunstpalais Erlangen, Marktplatz 1, Erlangen.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 24. Mai 2020.

www.kunstpalais.de

Kein Werk der Ausstellung „Survival of the Fittest“ zeigt eine menschliche Figur. Und obwohl der Titel einen darwinistischen Konkurrenzkampf suggeriert, präsentiert sie eine Welt, in der der Mensch keine tragende Rolle mehr spielen wird. Wir befinden uns im posthumanen Zeitalter und wir Besucherinnen und Besucher sehen uns einem neuen Kapitel der Evolution gegenüber, in dem der Mensch auf einen Zuschauerplatz verwiesen wird.

So befreit sich der Wald in der Arbeit „terra0“ (2016) von Paul Kolling, Paul Seidler und Max Hempshire von der Bevormundung und Nutzung durch den Menschen und verwaltet sich selbst. Als mit einer KI ausgestatteten Entität entscheidet er eigenständig wann, wo und wieviel abgeholzt werden soll, oder ob es opportun ist, neue Flächen hinzuzukaufen und sich zu vergrößern. In weiterer Konsequenz stellt der Titel „Survival of the Fittest” also nicht den biologisch-natürlichen Menschen in Konkurrenz zu genmanipulierten Lebewesen oder künstlicher Intelligenz, sondern bildet eine Weltordnung ab, die fast gänzlich ohne den Menschen auskommt.

Im Untergeschoss warten gleich zwei Arbeiten mit einer Vision der posthumanen Weltgestaltung auf: „The Kitty“ (2016), ist eine KI, die als niedliche animierte Katze über die Menschheit herrscht und diese paternalistisch wie Haustiere leitet und führt. Der natürliche Mensch ist der Welt nicht mehr gewachsen und hat sich der künstlichen Intelligenz untergeordnet.

In der Drei-Kanal-Videoinstallation „Asunder“ (2019) des Künstlertrios Tega Brain, Julian Oliver und Bengt Sjölen wird vorgeführt, wie die Welt ökologisch und ökonomisch auf Grund von Algorithmen zu bewirtschaften wäre, würde der Mensch, seine Befindlichkeiten und gewachsenen Lebensräume als Faktor ausgeschlossen: Die KI „Asunder“ bietet zahlreiche „Empfehlungen“ an, wie auf bestimmte ökologische Probleme zu reagieren wäre und gestaltet dabei die Welt grundlegend um. Etwa mit Empfehlungen wie „Verdichten. Shenzhen nach Wien versetzen“. Es wird deutlich, würde diese KI tatsächlich das Geschick und die Zukunft der Menschen lenken, wären die Folgen mehr als einschneidend.

Andere Arbeiten loten die technischen Möglichkeiten des Bioengineering und synthetischer Biologie aus. Haben Sie sich schon mal gefragt, welchen Duft bereits ausgestorbene Blumen verströmten? In der Installation „Resurrecting the Sublime“ (2019) von Christina Agapakis, Alexandra Daisy Ginsburg und Sissel Tolaas wurden aus der DNA bereits ausgestorbener Pflanzen Enzyme extrahiert, aus denen mit Hilfe von synthetischer Biologie Geruchspartikel hergestellt wurden.

“Designing for the Sixth Extinction” (2013-15) von Alexandra Daisy Ginsberg schaut in die Zukunft der synthetischen Biologie und entwirft Lebewesen, die sich in der Natur positiv auf die Biodiversität auswirken würden. Wir lernen hier zum Beispiel den AUTONOMOUS SEED DISPERSER kennen, ein vom Menschen designter Organismus, der den Pflanzen dabei helfen soll, ihre Samen und Pollen zu verteilen. Mit ihren neuen, vom Menschen gemachten Lebewesen markiert die Künstlerin den heutigen Zeitpunkt als den historischen Wendepunkt, an dem wir vom Zeitalter der natürlichen Biodiversität in die Ära der synthetischen Biodiversität übergehen. 

Die ausgewählten Arbeiten bilden einen breiten Diskurs ab, der gleichzeitig an eine reiche Tradition von Science-Fiction-Literatur andockt und dabei aber so tief in der aktuellen technologischen Debatte und Forschung verwurzelt ist, dass man bei manchen Arbeiten nicht sicher weiß, welcher Sphäre die Inhalte nun angehören: Fiktion oder reale Wissenschaft?