Florian Köhler

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23. März 2020
Text: Chris Gerbing

Florian Köhler: Tschau Agip.
Werner-Stober-Kunstpreis 2019.
Städtische Galerie Karlsruhe, Lichthof 10, Lorenzstr. 27, Karlsruhe.
Mittwoch bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 3. Mai 2020.

www.koehler-florian.de

Für Florian Köhler (*1973) sind der Müll unserer Zeit, die Überbleibsel unserer Wegwerfkultur, vor allem aber die Niederungen des Prekären Ausgangspunkt, Inspirationsquelle und Material. Als wesentlich hat sich darüber hinaus auch die direkte Umgebung seines Ateliers im Karlsruher Stadtteil Mühlburg herausgestellt, wie er überhaupt die Fächerstadt als Ort der kurzen Wege empfindet: Direkt nebenan befindet sich eine Agip-Tankstelle, an der er sich immer wieder Kaffee holt, die aber gleichzeitig Anlaufstelle und Treffpunkt für Obdachlose ist. Die dort herumliegenden Zigarettenschachteln, Kippen, Plastiktragetüten und Kornflaschen erhalten ebenso ein zweites Leben im Kunstwerk, wie Armierungseisen, Holzabfälle, Bauschaum oder Styropor. Die letztgenannten Materialien erhält er bevorzugt im Baumarkt, der ebenfalls in direkter Nachbarschaft ist. Rough, dreckig kommen seine Kunstwerke daher, die er in einem raschen Arbeitsprozess, gern mit Bauschaum, der überall hervorquillt, verbindet oder mit einfachem Klebeband zusammenschnürt – hier steckt eine Kippe zwischen den Ritzen, dort wird eine Schnapsflasche integriert, anschließend wird das Konglomerat unseres Wohlstandsmülls in Beton gegossen.

Nicht verhehlen lässt sich Köhlers künstlerischer Ausgangspunkt in der Klasse Meuser an der Karlsruher Kunstakademie, wo er die für seinen Werdegang wichtigen Impulse erhielt. Doch hat sich diese inhaltliche Nähe Köhlers zu seinem akademischen Lehrer erst nach der Studienzeit ergeben, weil er der Cleanness des Museums etwas entgegensetzen wollte. Damit will der gebürtige Karlsruher, der lange Zeit im Rheinland lebte, gar nicht primär auf die Umweltproblematik unserer Zeit hinweisen. Die oft prekäre Lebenssituation des Künstlers ist ihm ebenso Anliegen, wie das Vorhalten eines Spiegels dem Betrachter gegenüber, dessen Assoziationsfähigkeit er durch teils humorige Titel wecken will. „Der Schrott von der Straße kommt mit lustigen Titeln an die Wand“, meint Köhler, Kunst sei für ihn „Magie, die entsteht, wenn ich auf Materialien treffe und damit einen neuen Raum eröffnen kann.“ Deshalb steht für ihn der Dialog der Formen bei gleichzeitiger Negierung des Ausgangsmaterials durch den Betonabguss im Vordergrund. Dabei kann passieren, dass ein Material einen gänzlich anderen Eindruck vermittelt, das verwendete Klebeband beispielsweise wie eine textile, schleierartige Struktur wirkt, die sich zart über seine Stapelung legt.

Die Sensibilität fürs Entdecken der Dinge, die die meisten Menschen als Müll entsorgen würden, erwarb sich Köhler einerseits auf den zahlreichen documenta-Besuchen seit den 1980er Jahren; sie waren Auslöser für sein Kunstschaffen, denn sie hinterließen einen bleibenden Eindruck. Andererseits war die Zeit im Rheinland für ihn auch deshalb eine Sehschule, weil er bei Dieter Otten, einem Fotografen der Modebranche, Assistent und gleichzeitig in der Techno-Szene aktiv war. Ein Stipendienaufenthalt in Paris inspiriert ihn bis heute, obwohl er die Zeit als hart empfand. Denn er verspürte den Druck, kreativ tätig sein zu müssen. So war diese Förderung „das Wichtigste, was mir bisher passiert ist, und schwingt in meinen Arbeiten immer mit.“