Heinz Frank: Das Formlose will Form erzeugen

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1. November 2019
Text: Manuel van der Veen

Heinz Frank: Selbst flüssig, klammert sich an überflüssig.
Badischer Kunstverein, Waldstr. 3, Karlsruhe.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 19.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 1. Dezember 2019.

www.badischer-kunstverein.de

Es ist ein seltsamer Humor. Nicht weil er nicht lustig wäre, auch nicht weil er zu ernst erschiene – vielmehr weil Sinn und Unsinn in ihm beinahe deckungsgleich sind. Diesen Zusammenschluss auszutarieren kann dann auch die Herausforderung der Ausstellung „Selbst flüssig, klammert sich an überflüssig“ von Heinz Frank (*1939) im Badischen Kunstverein sein.

Über drei Stockwerke werden eine Vielzahl an Objekten und Skulpturen von 1960 bis „vor heute“ gezeigt. Der erste Raum begrüßt direkt mit einem komplexen Ensemble, das zwischen privat und öffentlich changiert. Stühle, ein Hocker, durchlöcherte Bretter, ein Tisch auf Stelzen. Davon sind einige Gegenstände mit weißen und blauen Punkten übersät, die an Picassos Konfetti-Farbtupfer erinnern. Für Heinz Frank ist es Schnee, die Bretter die Nachbarn, ein Stab in Form einer Angelrute der Vater. Es lässt sich nicht entscheiden, ob nun viele oder wenige Gegenstände da sind, aber Heinz Frank gelingt es, ein Zimmer, ein Haus, die ganze Nachbarschaft in diese zwei Quadratmeter zu verpacken.

Daneben sind einige Zeichnungen platziert, die Zeit, beziehungsweise Prozessplastiken beschreiben. Ein Körper aus Wachs zwischen Bäumen aufgespannt mit einem Glied aus Honig, das die Bienen locken soll. Um 1970 begann Frank sein künstlerisches Forschen – wobei er selbst die Bezeichnung als Künstler nicht einfordert – mit sich selbstzerstörenden Eisplastiken. Kunst also, die von Anfang an auch Anti-Kunst war.

Im nächsten Raum gibt es wenige Skulpturen und viel Luft, die für Heinz Frank das wohl wichtigste Element darstellt. Inmitten des Raumes die titelgebende Plastik „Selbst flüssig klammert sich an überflüssig“. Eine hölzerne Plinthe steht auf einem gemusterten Teppich, von der aus ein schlanker, aber gebogener Stab nach oben reicht. Die Gegenstände wirken nutzlos, doch am oberen Ende sind Einkerbungen für die Finger zu finden, zwei Pfropfen für die Nase und einer für den Mund – eine Erstickungs-Maske. Ein Thema dem man in der Ausstellung immer wieder begegnet – die Untersuchung des Inneren, wohlwissend, dass man nicht hineinkann, ohne etwas zu zerstören. Löcher in den Zeichnungen, ein Licht im Schrank, das ausgeht, wenn man ihn öffnet.

Andere Plastiken erinnern an Bekannte, wie Klimt, Brancusi oder Rodin, so eine ganz eigene Version des Kusses. Sehr organisch und doch wenig detailliert geformt umschlingen sich zwei kleine Figuren, die sich doch nicht berühren. Das architektonische, kantige Podest kontrastiert die Konstellation.

Für Frank steht am Anfang immer der Text und der Text ist immer richtiger. Doch mit den Worten wird etwas angestoßen, das sich nicht mehr aufhalten lässt, bis es sichtbar wird. Alle Werke sind für Frank „Schwächeanfälle“. Hand und Gehirn, Sinnlichkeit und Verstand zu versöhnen, als immer schon Verbündete offenzulegen, ist eine Herausforderung, welche in jeder Arbeit neu verhandelt wird. Das Gehirn als formlos, das selbst Form erzeugen will. So dann in den ganz kleinen gefundenen Skulpturen, die lapidar auf einem Fens­terbrett verteilt sind. Wirre und verworrene Drähte, die mit einem Ende in kleinen Holzscheiben stecken.

Heinz Frank ist ein Erfinder, der Dinge findet und mit anderen so verbindet, dass sie scheinbar etwas Neues bilden. Im Künstlergespräch verrät Heinz Frank jedoch direkt nach der ersten Beschreibung, man könne hier auch aufhören, denn es kommt nichts anderes mehr. Das verwundert, wie der Satz G. W. F. Hegels, der gerade die Alpen durchquert hatte und lediglich schlussfolgert: es ist so. Zwei Sätze, bei denen Sinn und Unsinn ganz dicht aneinander – sich verbünden.