Alex Hanimann: Same But Different.
Villa Merkel, Pulverwiesen 25, Esslingen.
Dienstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 17. November 2019.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Etwas fehlt, Edition Patrick Frey, Zürich 2019, 524 S., 83 Euro | ca. 83 Franken.
Ausgangspunkt ist die Gegenwart, verkörpert in einem sechsteiligen Skulpturen-Ensemble mit dem Titel „Conversation Piece“ (2019). In glänzenden Aluminiumskulpturen fängt der Schweizer Künstler Alex Hanimann (*1955) alltägliche Posen seiner Studierenden an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ein: Ein junger Mann mit hochgekrempelter Hose und Hipster-Rucksack auf dem Rücken, auf einer Kiste sitzend, scheinbar wartend. Eine Frau in Turnschuhen, Jeans und Käppi, mitten im Raum stehend, in ihr Smartphone vertieft. Eine Figur taucht zweimal auf, jedoch seitenverkehrt gespiegelt: ein Mann mit angewinkeltem Arm und zur Faust geballter Hand. Eine Geste, die vielleicht auch das unmögliche Unterfangen verdeutlicht, Gegenwart festzuhalten. Denn so präsent und heutig die Figuren auch wirken, sind sie doch eingefroren in ihren Bewegungen und gehören somit bereits der Vergangenheit an. Die leichte Überlebensgröße – sie sind um acht Prozent vergrößert wiedergegeben – verleiht den Figuren zudem eine Monumentalität, die sie mit klassischen Statuen vergleichbar macht und so von der Sphäre der Betrachter abhebt. Ob überhaupt und zwischen wem hier ein Gespräch entstehen kann, bleibt offen.
Zwei weitere Räume im Erdgeschoss rekonstruieren mit „Turning inside out“ das mögliche Setting zum Fotoshooting der Studierenden, das den Skulpturen vorangegangen ist, die auf 3D-Prints von Fotos basieren: Farbige Designer-Stücke und Vintage-Klamotten, Accessoires und verschiedene Schuhe hängen an Kleiderstangen und liegen auf Tischen ausgebreitet. Dazwischen stehen mehrere Spiegel für die Anprobe bereit und nehmen zugleich Bezug auf die Leuchtstoffröhren-Schrift im Foyer: „I am your mirror“. Gespiegelt ist auch das doppelte Selbstbildnis des Künstlers: ein schlichtes Passbild wird zum Leuchtkasten-Tableau montiert und gibt zugleich der Ausstellung den Titel „Same but different“.
Den Übergang zum Obergeschoss markiert ein Bild mit dem Titel „1968“: Es zeigt zwei kleine, etwa sechsjährige vietnamesische Jungen, in gleicher Pose nebeneinander stehend. Lächelnd und mit einem Sturmgewehr in der Hand, der eine barfuß, der andere mit Sandalen. Es könnten Zwillinge sein.
In den anschließenden Räumen sind weitere mittel- und großformatige Schwarz-Weiß-Bilder versammelt, die wichtige historische Ereignisse der 1960er und 1970er-Jahre wiedergeben. Bilder, die für die Jugend Hanimanns prägend waren und sich in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben haben: Martin Luther King, das Duell zwischen Kennedy und Nixon, die Ermordung Bubacks durch die RAF. Aber auch die unbeschwerte, lebensbejahende Seite dieser Jahre ist abgebildet: Nackt tanzende Hippies, feiernde Bhagwan-Anhänger auf der Suche nach spiritueller Erleuchtung. Ebenso junge Menschen im damals noch liberalen Teheran. Bilder der jüngsten Geschichte, die eine historische Distanz und zugleich Verbindungen zu unserer Zeit herstellen.
Diese Arbeiten sind alle in den letzten Jahren entstanden und basieren auf Fotos, die bereits eine mediale Verbreitung gefunden haben. Hanimann hat sie in sein persönliches, mittlerweile rund 15.000 Aufnahmen umfassendes Bildarchiv aufgenommen. Für den Transfer auf die Leinwand legte er ein neues Raster über die Fotos und zeichnete sie dann mit Chinatusche nach. Die grobe Rasterung verleiht ihnen optisch den Charakter von Siebdrucken – umso mehr verblüfft bei näherem Hintreten die Handarbeit der Zeichnungen. Vor allem aber machen sie deutlich, dass es hier im wörtlichen wie im übertragenen Sinne um das Ausloten der richtigen Entfernung zum Geschehen geht. Von Nahem betrachtet löst sich das Motiv in abstrakte Unkenntlichkeit auf. Gut erkennbar werden die großformatigen Rasterzeichnungen erst wieder auf dem (Handy-)Foto. Und somit durch Rückführung in ihr Ausgangsmedium.