Resonating Spaces: Von der Poesie des Zwischenraumes

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2. Oktober 2019
Text: Christiane Grathwohl

Resonating Spaces: Leonor Antunes, Silvia Bächli, Toba Khedoori, Susan Philipsz und Rachel Whiteread.
Fondation Beyeler, Baselstr. 101, Riehen/Basel.
Montag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 26. Januar 2020.
Katalog bei Hatje Cantz, Berlin 2019, 136 S, 44 Euro | ca. 52 Franken.

www.fondationbeyeler.ch

Wenn das nicht poetisches Potential hat. Die sieben, von Leonor Antunes, Silvia Bächli, Toba Khedoori, Susan Philipsz und Rachel Whiteread bespielten Räume der Ausstellung „Resonating Spaces“ treten untereinander in Beziehung, sie erzeugen eine Stille, die beim Betrachter eigene Gefühle und Erinnerungen hervortreten lassen. Jedes der Werke bezieht sich auf den vorhandenen Raum oder erzeugt durch künstlerische Mittel eine besondere Räumlichkeit in der Fondation Beyeler.

Auftakt ist ein durch Klänge erzeugter Raum: die frühe Klanginstallation „Filter“ (1998) der schottischen Künstlerin Susan Philipsz (*1965). Sie bezieht sich in ihrer Arbeit auf vorhandene Musik, Popsongs, Volkslieder, Choräle, die sie mit ihrer unausgebildeten Stimme singt, verloren und selbstvergessen. Eine Atmosphäre wird erzeugt, melancholisch und einsam, die in dem öffentlichen Raum eine Verschränkung von Privatem und kollektiv Erlebbarem hervorruft. In der zweiten, aktuell geschaffenen Klangarbeit „The Wind Rose“ (2019) bezieht Philipsz sich auf die Gegebenheiten des Ortes. Der Blick aus dem Fenster, die Landschaft, der umgebende Park, die Geräusche der Natur sind Inspirationsquellen für diese Arbeit, in der nicht die menschliche Stimme entscheidend ist, sondern der Atem und die durch Blasen in Meeresschnecken erzeugten Klänge.

In den beiden Räumen, die von der in Australien geborenen und in Los Angeles lebenden Malerin und Zeichnerin Toba Khedoori (*1964) gestaltet wurden, zeigt sie gleichermaßen ältere und neue Ölbilder und Zeichnungen. Auf riesigen zusammengefügten Papierbahnen platziert sie ihre Motive, Stuhlreihen oder Fenster, blockhaft in der Mitte, so dass sie isoliert und ohne Zusammenhang zur Umgebung stehen. In den jüngeren Werken dreht die Künstlerin das Prinzip um. Statt aus großer Distanz, zoomt sie nun ihre Motive nah heran und füllt mit ihnen das ganze Bildformat. Sie spielt mit der Wahrnehmung und öffnet Assoziationsräume, ob sie nun das geometrische Kachelmuster eines Fußbodens malt oder die filigran verschränkten Äste und vom Wind durchwehtes Blattwerk. In Khedooris Arbeiten öffnen sich Zwischenräume ins Nichts, fremd und vertraut zugleich.

Die Rauminstallation der aus Portugal stammenden Leonor Antunes (*1972) ist ein Werk von überwältigender Ästhetik, voller Sinnlichkeit und Transparenz. Die Bildhauerin gruppiert eine Vielzahl geometrischer Skulpturen, die aus abstrakten Formen zusammengesetzt sind. Die verwendeten Materialien beziehen sich auf Vorbilder aus der Design- und Architekturgeschichte. Holz, Messing, Glas, auch Nylon und Peddigrohr kommen zum Einsatz, alles Materialien, die bei modernen Möbeln und Innenraumgestaltungen eine Rolle spielen. Leonor Antunes nimmt Anregungen auf, verwandelt sie in ihrer Arbeit und erweist ihren oft in Vergessenheit geratenen Vorbildern Referenz. So auch der Bauhaus-Künstlerin Anni Albers. Auf eine Druckgrafik von ihr geht der Entwurf des dynamischen Fußbodens zurück mit seinen in Gelb, Schwarz und Weiß gehaltenen Dreiecken. In den von der Basler Zeichnerin Silvia Bächli (*1956) gestalteten Räumen liegt die Konzentration auf abstrakten mit dem Pinsel gezogenen Liniengefügen. Die allerfeinsten Differenzierungen, ein An- oder Abschwellen, ein Auslaufen oder neu Ansetzten, auch die Abstände zum nächsten Blatt, die Leerstellen, das alles gilt es genau wahrzunehmen. Der Zusammenklang schafft ein Gesamtbild von gegenseitigen Bezugnahmen und wohltuender Stille. Die Arbeit der britischen Bildhauerin Rachel Whiteread (*1963) hat hingegen von Balthus ein konkretes Gegenüber. Es ist das Gemälde „Passage du Commerce-Saint-André“ von Balthus. In einem Abstrahierungsvorgang überträgt sie einzelne Elemente aus dem Bild, hier sind es die Fenster, und positioniert sie maßstabsgetreu vergrößert als Papiermaché-Objekte an der gegenüberliegenden Wand. Indem sie Negativabgüsse macht, kehrt Rachel Whiteread das Innere nach außen. Bildraum und realer Raum durchdringen sich.