Céline Condorelli: Von der Kunst, Kunst zu präsentieren

Review > Biel/Bienne > Kunsthaus Pasquart
24. Juli 2019
Text: Alice Henkes

Céline Condorelli.
Kunsthaus Pasquart, Seevorstadt 71, Biel/Bienne.
Mittwoch, Freitag 12.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 12.00 bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 8. September 2019.

www.pasquart.ch

Nichts zu sehen? Das kommt darauf an. Der lange Flur im ersten Obergeschoss ist leer. Keine Bilder an den Wänden, keine Objekte oder Installationen. Es ist auch nichts zu hören, keine akustische Intervention. Nur das Licht ist anders als in den anderen Räumen. Weicher, rosiger, wärmer. Es ist das Licht von Sonnenauf- und -untergang. Erzeugt mit Leuchtstoffröhren und Polyestergel in 20 Farben. „Grazie e Arrivederci“ heisst diese luftige Arbeit, mit der Céline Condorelli scheinbar aus dem Nichts heraus Stimmung, Atmosphäre und damit verbunden auch bestimmte Erwartungen, Vermutungen erzeugt. Der von der Künstlerin sorgsam beleuchtete Raum könnte die Bühne für eine Ausstellung sein, die Emotionen wie Sehnsucht und Melancholie anklingen lässt, Vorstellungen von Zeitlichkeit. Es könnte auch eine naturwissenschaftlich oder historisch orientierte Ausstellung sein, in der Zeitläufe, Tagesabläufe, Lebenskreise angesprochen werden. Für ein deutschsprachiges Publikum ist wohl die zweite Variante leichter vorstellbar. Denn wiewohl auch in Kunstausstellungen allmählich wieder farbige Wände, Lichteffekte, Möblierungen einziehen und den leeren, kalten White Cube ablösen, sind die Rauminszenierungen in natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Ausstellungen deutlicher präsent. Condorellis Licht-Intervention ist auch als kleine Spitze gegen die eben doch noch immer weit verbreitete stimmungsfreie Einheitsbeleuchtung in Kunsthäusern zu verstehen.

Die 1974 in Paris geborene, französisch-italienische Künstlerin beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit Ausstellungs-Szenografien, also mit den Raumbedingungen, Raumgestaltungen, die eine Ausstellung umgeben – mal mehr, mal weniger deutlich. Céline Condorelli tut dies mitunter sehr dezent, indem sie nur ein wenig an der Beleuchtung herumschraubt.

Sie kann aber auch ganz anders, raumfüllend, wie mit der Serie der „Additionals“, die im Neubau des Museums installiert ist. Da türmt die Künstlerin wuchtige Lautsprecher zu einer tönenden Wand aufeinander und verwandelt eine silbrige Rettungsdecke mithilfe von Gardinenband und einem Ventilator in eine „Structure for Communicating with Wind“. Die Kommunikation zwischen Rettungsdecke und Ventilator erzeugt ein Knistern und Rauschen, visuell untermalt von einem schillernden Wehen und Wogen, das die Erinnerungen an Vorhänge unterschiedlichster Arten wachruft, vom schlichten Schal am bürgerlichen Fenster über die unheilvoll zitternden Gardinen und Duschvorhänge im Horrorfilm bis zu den grossen, mit Erwartungen beladenen Vorhängen im Theater. Natürlich: Auch der Ausstellungsraum ist eine Bühne, und jedes Spiel im Theater ist ein Kunstwerk.

Céline Condorelli, die unter anderem am renommierten Goldsmiths College und an der Architectural Association School of Architecture on London ausgebildet wurde, greift in ihrer Arbeit auch verschiedene Moden und unterschiedliche Haltungen in der Ausstellungsgestaltung auf. Einen der Altbau-Säle teilen sich mehrere Arbeiten mit einigen künstlichen Pflanzen. Condorelli verweist damit darauf, dass es im 19. und frühen 20. Jahrhundert üblich war, Ausstellungen mit interessanten Grünpflanzen wie Palmen zu garnieren.

Ob Lichter, Grünpflanzen oder Vorhänge: Es geht bei diesen Gestaltungen nicht allein um Oberflächen, um Dekorationen. Die Art und Weise, wie Kunst präsentiert wird, kann etwas darüber verraten, wie sie wahrgenommen wird, welche – zumeist unausgesprochenen – Codes für den Umgang mit Kunst gelten. Céline Condorelli erzeugt mit ihrem zuweilen spielerischen Zugriff auf diese Fragestellung eine interessante Spannung, wirkt aber oft auch sehr selbstreferentiell – eine Gefahr, der eine Ausstellung, die sich das Ausstellen zum Thema macht, nur schwer entziehen kann.