Frozen Gesture: Gesten in der Malerei.
Kunst Museum Winterthur | Beim Stadthaus, Museumstr. 52, Winterthur.
Dienstag 10.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 18. August 2019.
Dass der Pinselstrich nicht nur der formgebenden Hand des Künstlers entspringt, sondern auch für den Bild gewordenen Ausdruck seines Innersten steht, ist nicht erst seit Monets „Impression“ bekannt, ist aber von den amerikanischen abstrakten Expressionisten zum Kanon erklärt und auf die Spitze getrieben worden. Kaum erstaunlich, dass eine solche Doktrin nicht unbeantwortet blieb, geschweige denn unreflektiert, intuitiv oder rein expressiv sich weiter entwickeln konnte. Roy Lichtenstein hat mit seinen „Brushstrokes“ das Thema persiflierend aufgegriffen und dabei eine Systemkritik in Gang gebracht, die seither von zahlreichen Künstlern dankbar angewendet wurde und wird, erlaubt sie doch das Medium der Malerei zusätzlich zu hinterfragen. Lichtensteins eingefrorene Pinselstriche wurden als böse Kommentare der romantischen Haltung des abstrakten Expressionismus interpretiert. Seine triviale, sich am Comic orientierende Bildsprache, wendete die Handschrift des Künstlers und dessen einhergehende Subjektivität schnörkellos ins Absurde. Doch Lichtenstein ruhte sich danach keineswegs aus, er ging noch einige Schritte weiter und realisierte „Brushstroke“-Skulpturen: „[…] die Geste ist zu Beginn einfach eine Idee, sie zu malen macht sie konkret, aber wenn man sie in Bronze realisiert, erhält sie Gewicht, wird absurd, widersprüchlich und amüsant“. Eine Ansage, die auf die alte Tante Malerei wie ein Torpedo wirkte.
Seither wird diese malerische Geste ohne die, bewusst oder unbewusst, kein gemaltes Bild auskommt, überlegter denn einst, mutierend, parodierend, zitierend, ironisch gebrochen, analysierend. „oder zumindest mit einer für die zeitgenössische Malerei charakteristischen konzeptuellen Distanz eingesetzt“, so Konrad Bitterli, Direktor des Kunst Museums Winterthur.
Bitterli hat zu diesem Thema eine lustvolle Ausstellung organisiert, die neben allem Ernst mit Humor nicht geizt und erfrischend illustriert, dass das viel beschworene Ende der Malerei unter die Rubrik „Fake News“ fällt und sie so lebendig ist, wie kaum zuvor. Das wird nicht nur bei Gerhard Richter deutlich, der den Pinsel mit der Rakel vertauscht, sondern auch in den Bildern von Robert Janitz, der mit breiten Pinseln aus dem Baumarkt und durch einen grob-faserigen Farbauftrag an die Persiflage Roy Lichtensteins anschliesst. Seine Art zu malen, erinnert an einen zeichnerischen Ansatz, da jeder Pinselstrich sichtbarer Teil des Bildes ist. Lynn Kost hat seinen Farbauftrag mit gestrichener Butter auf einem Toast verglichen. Andere wie Jonathan Lasker und Pia Fries behandeln den Farbauftrag tektonisch. Sie spachteln und formen die Farben als handle es sich um eine Knetmasse oder um Zuckerguss.
Bei David Reed dokumentieren und reflektieren die Pinselstriche gleichsam den Prozess des Malens. Wenn er aktuell auf eigene Bildfindungen zurückgreift, die Jahrzehnte zurückliegen und die Farbgesten seiner Hand mit jenen von Schablonen kombiniert, so stellt er damit nicht nur das genuine Kunstwerk in Frage, sondern entfacht damit auch einen Wettstreit differierender ästhetischer Codes, die eine virtuelle Verbindung zwischen Claude Monet, Roy Lichtenstein und Christine Streuli suggerieren. Christine Streuli denkt die Malerei in die Zukunft, indem sie die grosse Geste persifliert: Die dynamischen Pinselstriche sind keinem Bild Roy Lichtensteins entlehnt, es sind kleine, handgemachte, die sie in einem weiteren Schritt digitalisiert, à la Lichtenstein stilisiert und massiv vergrössert hat. Diese appliziert sie sowohl auf die Bilder und die Wand, auf die sie zusätzlich malt, und führt damit nicht nur den malerischen Akt ad absurdum, sondern veräppelt auch noch unseren traditionellen Bildbegriff. Ungewollt geraten wir in einen Strudel aus Farben und Diskursivität, aus dem wir nur dank ihrem bildimmanenten Drive herausfinden.