Gewächse der Seele: Was treibt denn da?

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10. Mai 2019
Text: Annette Hoffmann

Gewächse der Seele. Pflanzenfantasien zwischen Symbolismus und Outsider-Art.
Wilhelm-Hack-Museum, Berliner Str. 23, Ludwigshafen.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 4. August 2019.

Was für eine Sprache steht uns zur Verfügung, wenn wir von unserem Innersten reden? Welcher Metaphern bedienen wir uns, wenn es um den unsichtbaren Teil unseres Selbst geht? Viel ist da vom Wachsen, Entfalten und Ausbreiten die Rede. Ein Wunder, dass es unsere Seele überhaupt in unserem Körper aushält. Das Ausstellungsprojekt „Gewächse der Seele. Pflanzenfantasien zwischen Symbolismus und Outsider Art“, an dem mehrere Institutionen in Heidelberg, Mannheim, Bad Dürkheim und Ludwigshafen beteiligt sind, greift das Sinnbild der Pflanze auf, wobei unklar bleibt, was da denn wächst. Braucht sie den Tag oder das Dunkle, wie es in Paul Klees bekanntem Werk „Wachstum der Nachtpflanzen“ angedeutet wird? Sind es gut- oder bösartige Gewächse?

Die Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen wertet nicht und bereitet für die anderen Schauen so etwas wie die kunsthistorische und kulturhistorische Grundlage auf. Die „Gewächse der Seele“ sind die der hellen, aufgeklärten Moderne abgewandte Seite. Sie haben ihre Wurzeln in der Mitte des 19. Jahrhunderts als es noch über die Kunst hinausweisende Legitimationen brauchte, abstrakte Bilder zu schaffen und sie sind eingebunden in ein Interesse an Techniken wie der Fotografie, einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Psyche sowie irrationalen Zuständen wie etwa des Rausches oder des Spiritismus. Viel Verdrängtes also und gleichzeitig vieles, das kunstgeschichtlich kategorisiert und abgespalten wurde, um die Moderne zu einem Fortschrittsprojekt machen zu können. Im Surrealismus hat es seine anerkannte Form gefunden, wie die Schau mit Werken von Max Ernst, Joan Miró und René Magritte zeigt.

Georgiania Houghton (1814-1884) hingegen wurde erst in den letzten Jahren als Künstlerin wiederentdeckt, in der Münchner Ausstellung „Weltempfänger“ waren Zeichnungen und Gouachen der Britin neben den Arbeiten von Hilma af Klint – auch sie ist in Ludwigshafen vertreten ‒ und Emma Kurz zu sehen. Im Wilhelm-Hack-Museum kann man teilweise um diese Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Papierarbeiten mit den eindrucksvollen Wirbeln herumgehen und auf der Rückseite lesen, dass ihre Bilder das großartige Wirken Gottes symbolisieren und sie durch ihre Hand entstanden seien. Lediglich, könnte man ergänzen. Nach dem Tod ihrer Schwester beginnt Houghton bei religiösen spiritistischen Séancen zu zeichnen. Ihr Selbstverständnis als Medium wird sie nicht davon abhalten, auf eigene Kosten in London eine Ausstellung ihrer Werke zu organisieren – tatsächlich lässt sich ja in Houghtons Zeichnungen ein Ursprung der Abstraktion ausmachen. Später wird sie gar eine Publikation mit jenen Geisterfotografien herausbringen, die auch in Ludwigshafen in einer Vitrine zu sehen sind. Merkwürdige Lichtphänomene entströmen hier Körpern, manchmal scheinen Schemen im Raum zu stehen. Gerade diese Dokumente wichtiger Querverbindungen spielen in dieser sorgfältig recherchierten und beeindruckend umfangreichen Ausstellung leider im wahrsten Sinne des Wortes ein Schattendasein, es ist doch oft sehr dunkel. Zu sehen sind in diesem ersten Raum dann aber die Cadavre Exquis des Surrealisten Paul Éluard aus den 1930er Jahren und Klatschbilder des schwäbischen Autors und Arztes Justinus Kerner, die zeigen, dass Künstler schon lange nicht vom Verstand kontrollierte Methoden oder zumindest den Zufall einsetzen, um die Grenzen des Darstellbaren und Sichtbaren zu erweitern.

„Gewächse der Seele“ zeigt auffallend viele Arbeiten von Künstlerinnen. Insbesondere bei den frühen Werken brauchte es ausdrücklich die weibliche Innerlichkeit, wenn nicht gar die Religiosität, als Legitimation für die Kunst. Sie sind deutlich unbekannter als etwa Max Ernst, von dem man weiß, dass er Hans Prinzhorns Publikation „Bildnerei von Geisteskranken“ mit nach Paris nahm, die dann unter seinen Künstlerkollegen kursieren sollte. Neben den meist selten zu sehenden Arbeiten ist die Stärke dieser Ausstellung, solche Verbindungslinien aufzuzeigen.