Producing Futures: An Exhibition on Post-Cyber-Feminism

Review > Zürich > Migros Museum für Gegenwartskunst
17. April 2019
Text: Dietrich Roeschmann

Producing Futures: An Exhibition on Post-Caper-Feminism.
Migrosmuseum für Gegenwartskunst, Limmatstr. 270, Zürich.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 12. Mai 2019.

www.migrosmuseum.ch

Als die Naturwissenschafts­­historikerin Donna Haraway (*1944) Mitte der Achtzigerjahre ihren Essay „A Cyborg Manifes­to” veröffentlichte, legte sie damit einen Grundstein für eine Kritik des binären Denkens. Statt um Differenz ging es ihr um Übergänge und Schnittstellen, statt um Hierarchie um die gegenseitige Beeinflussung zwischen Mensch und Maschine, Mensch und Tier. Ihr ganzheitlicher Ansatz der ausgleichenden Koexistenz aller Spezies und Organismen, aus dem sie früh Konzepte der Teilhabe und der „Sharing Economy” entwickelte, prägte maßgeblich die dritte Welle des Feminismus, deren Protagonistinnen mit der Erfindung des Internets Anfang der Neunziger eine Chance sahen, den Cyberspace als Gegenentwurf zur Wirklichkeit des Kapitalismus zu definieren und als Ort der Egalität zu gestalten. Das ist nun knapp drei Jahrzehnte her, und während der Cyberspace längst durchkommerzialisiert ist, wird in Deutschland – wie in 15 weiteren Staaten – ein unbestimmtes drittes Geschlecht rechtlich anerkannt. Spätestens seit der documenta 13, die Donna Haraway zu einer ihrer Stichwortgeberin machte, gehört der „spekulative Feminismus” der Amerikanerin samt ihrem Hang zu alternativen, nicht-akademischen Wissensformen wie des Okkulten zum theoretischen Rüstzeug zeitgenössischer Kunstschaffender, die sich mit Gender-Fragen oder Geschlechtergerechtigkeit auseinandersetzen. Die von Heike Munder kuratierte Ausstellung „Producing Futures” im Zürcher Migros Museum gibt nun erstmals einen bewusst disparaten Überblick über künstlerische Positionen aus dem Echoraum des Cyberfeminismus. Das Spektrum reicht von Pionierarbeiten wie dem trashig-emphatischen Internet-Manifest, mit dem die Künstlerinnengruppe VNS Matrix 1991 die Klitoris als Übersensorium der Kunst ausrief, über Laborsettings wie Anicka Yis Quarantäne-Zelte, in denen die koreanische Künstlerin ein aus 100 Hautabstrichen befreundeter Frauen gewonnenes Kollektiv-Bakterium züchtet – und damit fröhlich patriarchale Ängste vor einer Epidemie der Frauensolidarität schürt – bis hin zu Videoanimationen wie Cécile B. Evans’ „Hyperlinks or It Didn’t Happen” über die Frage der Körperlichkeit im digitalen Raum, bevölkert von Toten, die ihre Ex-Partner auf Facebook stalken, transparenten Frauen und dem Avatar von Hollywood-Star Philip Seymour Hoffman, der 2013 an einer Überdosis starb. Zu den Höhepunkten dieser sehenswerten, zwischen Theorie, Ironie, Queer-Aktivismus und New-Age-Spiritualismus mäandernden Gruppenschau gehört jedoch Mary Maggics Video-Kochshow „Housewife Making Drugs” über die Gewinnung synthetischen Östrogens aus Eigenurin – ein Versuch der Selbstermächtigung gegen die Allgegenwart hormonaktiver Substanzen im Trinkwasser, in Lebensmitteln, Kosmetika.