Yves Netzhammer.
Museum zu Allerheiligen, Klosterstr. 16, Schaffhausen.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 17. Februar 2019.
www.allerheiligen.ch
Stößt der Besucher im Museum zu Allerheiligen auf den Knorrli, ist schon einiges an Schaffhauser Geschichte an ihm vorbeigezogen. Wir schreiben das Jahr 1948, der Krieg war überwunden, der Wohlstand wuchs, Fertigsuppen und Würzmittel fanden von Schaffhausen aus den Weg in die Schweizer Küchen. Schon früh wurden mit der beliebten Werbefigur Imagefilme gemacht. Gelb, Rot, Grün: Yves Netzhammer (*1970) hat für seine Ausstellung „Biografische Versprecher“ die Farben übernommen, aus dem kleinen Bergkobold jedoch einen Narren gemacht. Die charakteristische animierte Gliederpuppe, mit der Yves Netzhammer seit Jahren arbeitet, trägt nun eine rote Schellenkappe. Und es sagt viel über unsere Zeit, dass er nicht der einzige ist, der gegenwärtig auf diese Figur zurückgreift.
Die Ausstellung, für die Netzhammer und das Museum zu Allerheiligen mit dem Preis der BEWE-Stiftung ausgezeichnet wurden, ist in weiten Teilen eine Intervention in die Dauersammlung. Der gebürtige Schaffhausener gehörte vor vier Jahren zu den Künstlern, die im Zürcher Museum Rietberg ihre Arbeiten präsentierten und so den Umgang mit ethnologischen Sammlungen kommentierten. Das Museum zu Allerheiligen hat ein anderes Profil, es zeigt ausgehend von den ersten menschlichen kulturellen Erzeugnissen eine Grand Tour durch die Zeitläufte. Von der Prähistorie über die Römer zum Mittelalter und der Industriegeschichte wird Schaffhausen zum Exempel für Universalgeschichte. Die ständigen Transformationen, die Netzhammers Computerkunst prägen, sind so in den historischen Kontext eingebunden. Dort, wo in der Johanneskapelle der Altar stehen würde, ist nun ein Triptychon Netzhammers zu sehen. Über die Decke des Dioramas vom Kesslerloch mit seinen Steinzeitbewohner kraxelt der Narr und hinterlässt erste Zeichnungen, während er in der Kunstsammlung auf einem kleinen Kameradisplay in Gegenüberstellung zu Ferdinand Hodlers „Holzfäller“ und einem Akt von Félix Vallotton zum Golfschläger greift und mit der Schönen das Lager teilt. Man sollte dies nicht lediglich als Fußnoten seiner aufwändigen und kunstvoll choreografierten Installation verstehen – neben den Animationen sind im zweiten Obergeschoss viele kinetische Arbeiten zu sehen –, Netzhammers Werke sind Dystopien auf der Basis der Kulturgeschichte. Wie sehr sie auch als Kommentare auf unsere Gegenwart zu verstehen sind, zeigt sich im großen Raum, wenn der Narr erst in Auschwitz einen Hamburger isst, dann vor dem berüchtigten Tor ein Selfie macht. Netzhammers Projektionsflächen sind in Schaffhausen der Spiegel des Narren.