Komödie des Daseins. Kunst und Humor von der Antike bis heute

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17. Dezember 2018
Text: Maria Becker

Komödie des Daseins. Kunst und Humor von der Antike bis heute.
Kunsthaus Zug, Dorfstr. 27, Zug.
Dienstag bis Freitag 12.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 6. Januar 2019.
www.kunsthauszug.ch

Von Michel de Montaigne stammt die Bemerkung, dass man auch auf dem höchsten Thron nur auf dem Hintern sitzt. Der eine Satz genügt, um jeden Respekt vor institutioneller Hoheit zu verlieren. Der weise Essayist wusste, dass in einer Epoche, in der die Formeln höfischer Repräsentation am weitesten elaboriert waren, die Entkleidung derselben umso wirksamer war. Mit nur einem Gedanken war die Hoheit nackt und die Würde entlarvt. Hätte man die Bemerkung Montaignes in ein Bild übersetzt, dann wäre es genau das, was man heute Karikatur nennt.

Was dem Schreibenden recht war, war dem Künstler schon immer ein probates Mittel. Geht man durch die Räume im Kunsthaus Zug, begegnet einem die Respektlosigkeit auf Schritt und Tritt. Da gibt es ein Profilbild des Papstes, dessen Gesicht nahtlos ins Antlitz des Teufels übergeht. Man muss die kleine Tafel aus der Zeit um 1600 nur umdrehen. Oder ein von Nam June Paik mittels Magneten zum Wackeln gebrachter Bildschirm: Die beschwörende Ansprache von Richard Nixon offenbart wie durch Zauber, dass sie eine Lügenvorstellung ist.

Fratzen und Zerrbilder, Komödien und Satiren, wohin das Auge blickt. Nur wenige Bilder sind so abgeklärt wie das Selbstporträt von Jean-Etienne Liotard, der uns mit Zahnlücke zulächelt und auf die Wahrheit zu weisen scheint, die der Vorhang der Lebensbühne verbirgt. Über 400 Exponate füllen die Ausstellung und verzweigen sich in etliche thematische Abteilungen. „Komödie des Daseins” ist ein Mammutprojekt des Hauses, das sieben Jahre Recherche kostete. Der Versuch, eine Kunstgeschichte des Humors von der Antike bis zur Gegenwart aufzurollen, machte schnell einmal klar, dass damit Kulturgeschichte nacherzählt werden muss. Vom Hofnarr bis zum Klopapier gibt es kaum einen Bereich des Lebens, der nicht hineinspielt.

Genau hier liegt die Problematik der Schau. Was alles ist unter Humor in der Kunst zu verstehen? Die Karikatur natürlich, die Satire, die Parodie – aber auch das Absurde, die Ironie, die Kritik? Die Grenzen sind schwer zu ziehen, und oft reicht das Bild­liche nicht aus. Sprache und Bild müssen zusammengehen, denn die Darstellungen erklären sich nicht selbst, sondern verlangen erzählende Ergänzung. Und wo sie dies nicht brauchen, setzen sie das Wissen der Zeitgenossen voraus.

Immer sind es Lebensbühnen, die das Vergnügen des Betrachters provozieren sollen. Schon in den Satyrumzügen griechischer Vasen oder den Wimmelbildern von Bosch und Brueghel. Das Lachhafte ist in der Antike und im Mittelalter nie freundlich, es hat fratzenhafte Züge. Die Missgestalt wird zur Schau gestellt, die Zwerge und Krüppel dürfen zur Belustigung der Aristokratie tanzen. Nur der Hofnarr ist eine Ausnahme. Er hielt mit seinen Frechheiten den Herrschenden den Spiegel vor. Dass man damit gefährlich lebt, zeigt das wunderbare Porträt eines Narren von Philips Gallé, in dessen Gesicht sich die Sorge wegen der eigenen Worte abzeichnet.

Blasphemien gibt es in der Kunstgeschichte des Humors ohne Ende. Von den Zeiten Luthers bis zu James Ensor und Martin Kippenberger spannt sich der Bogen. Es wird gelästert und gespottet und das Obszöne zelebriert wie eine Messe. Da, wo Gott am nächsten ist, ist auch der Teufel besonders präsent.

Der künstlerische Humor feiert seine Höhepunkte in Zeiten grösster öffentlicher Bedrängung. Entsprechend nehmen die Karikaturen zum Nationalsozialismus breiten Raum ein. Neben den beissenden Collagen von John Heartfield gibt es eine unscheinbare und gleichwohl sensationelle Rarität. Es ist ein Klopapierblatt mit aufgedruckter Hitler-Chiffre und der Aufforderung: Diese Seite benützen! Dass es letztlich der Unernst ist, der allem die Spitze bricht, wird immer wieder deutlich. Pathos wird entlarvt, Würde zunichtegemacht, Gewalt besiegt. „Ein Lachen wird es sein, das Euch beerdigt“, heisst es auf einem Plakat aus der Zeit des russischen Anarchismus. Es zeigt einen fröhlich zur Hinrichtung schreitenden Mann und hätte auch in diese Ausstellung gepasst.