Kathy Acker: Ihre Sprache ist die des Körpers

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18. Oktober 2018
Text: Manuel van der Veen

Kathy Acker: Get rid of Meaning.
Badischer Kunstverein, Waldstr. 3, Karlsruhe. Dienstag bis Freitag 11.00 bis 19.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 2. Dezember 2018.

www.badischer-kunstverein.de

Es ist keine Überraschung, dass man heute auf Ausstellungen derart viel lesen muss, lange Informationstexte gilt es durchzuarbeiten und Wissen muss angeeignet werden, um das Gesehene verständlich erscheinen zu lassen. Das Vertrauen ins Visuelle sinkt. Die Schau „Kathy Acker: Get Rid of Meaning“ geht genau den umgekehrten Weg. Die Frau, die dreizehn Romane, zahlreiche Essays und Gedichte schrieb, wird nun im Badischen Kunstverein von piktoralen Gedankengängen umgeben. Die Frau, die sich unermüdlich an Begriffen wie Geschlecht, Körper und Identität abarbeitete, die regelmäßig Bodybuilding betrieb, ihrem Tätowierer ein Buch widmete, ihren Lebensunterhalt teils als Stripperin finanzierte und autodidaktisch Farsi lernte, bietet viel Stoff zum Anschauen und Nachdenken.

Das Schreiben von Kathy Acker (1947-1997) bleibt nicht auf den Buchseiten gefangen. So begrüßt gleich der erste Raum mit einem ihrer Alter Egos‘ – der schwarzen Tarantel. Gepaart mit einer Arbeit von Lynn Hershman Leeson und einer Wand voll Notizen in Schönschrift, zwischen Tagebuch und Prosaskizze, wird das Verhältnis zwischen privat und öffentlich, sowie zwischen Autor und Autobiografie ausgelotet. Folgerichtig ist am Ende der Ausstellung der letzte Roman „Pussy, King of the Pirates“ durchzublättern. Die literarische Piratin hat wohl auch schamlos Texte geklaut, was ihr eine Plagiatsklage einbrachte. Doch wer die Identität destabilisiert und gegen den Kapitalismus arbeitet, findet gerade im Copyright die richtige Zielscheibe.

Als Herzstück der Ausstellung im großen Raum ist die private Bibliothek von Acker aufgereiht. Gut sechstausend Bücher, die geradezu ein Statikproblem darstellen, zeugen von ihrer Büchermanie. Dabei sind Geheimtipps und Schwergewichte wie Marguerite Duras, Italo Calvino, Sartre und de Sade nachzulesen. Ein Sechstel dieser Sammlung steht im Kunstverein zum Aufschlagen bereit. Manches ihrer Zitate lässt sich so vielleicht in den Büchern zurückverfolgen. Den Buchrücken gegenüber blickt von überallher das Gesicht der Punk-Poetin. Von ihren Buchcovern, in Fotografien auf dem Motorrad posend und diversen Fernsehauftritten. Dabei wird klar, dass der Körper und das Schreiben für Acker nicht zu trennen sind. In ihren performativen Inszenierungen lässt sie ihre definierten Muskeln spielen, um dann die Betrachtenden mit ihrem charmanten Lächeln ganz für sich zu gewinnen.

Die Strategie der Ausstellung ist dabei so einfach wie erfrischend als sei sie von Kathy Acker vorgedacht. Hat sie doch ein guter Freund von ihr – Matias Viegener zusammen mit Anja Casser kuratiert. Das Bilderlose wird dabei erweitert von Ackers Skizzen und von zeitgenössischen Werken, die sich mit ihrer Arbeit auseinander setzen. Dies bietet mannigfache Brillen, die Künstlerin kennen zu lernen oder vorgefasste Meinungen zu schleifen. Die so genannten Traumkarten von Acker fächern ganze Gedankengänge auf und verschränken Schrift mit Piktogrammen. Ein Ort, an dem Stöbern, Forschen und Schauen zusammenfallen – ein wunderbares Angebot für alle, die genügend Zeit mitbringen.

Obwohl Kathy Acker absolut prägend für eine Vielzahl nachfolgender Künstlerinnen ist, sie mit originären literarischen Strategien Aufmerksamkeit erregte und eine Vorreiterrolle in Bezug auf Appropriation einnimmt, ist die Ausstellung im Badischen Kunstverein die erste tiefergehende Schau. Dafür wartet der Badische Kunstverein zugleich mit einem umfassenden Symposium auf (22.bis 24. November 2018). Den Zugang zu Ackers schriftlichem Werk durch Kontext zu ermöglichen, wird an entscheidender Stelle ganz schön privat. Man liest ihre – noch nie gezeigten – Notizbücher, blättert in ihrer privaten Bibliothek und Kaucyila Brooke zeigt sogar „Kathy Acker’s Clothes“. Die langjährige Außenseiterin Kathy Acker, die sich immer tief ins Herz der Problematik schreibt – rückt so verdammt nah.