Nina Rike Springer: Dada-modernistische Bildinszenierungen

Porträt
12. Oktober 2018
Text: Harald Ruppert

Nina Rike Springer: I believe I can fly.
Zeppelin-Museum, Seestr. 22, Friedrichshafen.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 2. Dezember 2018.

www.zeppelin-museum.de
www.zf.com/kunststiftung

www.ninaspringer.com

„Das Schlampige ist nicht so meins“, sagt Nina Rike Springer. Wer ihre Fotografien sieht, kann das nur bestätigen: Sie zeigen klare geometrische Formen, die an Bauhaus-Malerei erinnern. Bauhaus-Bilder, auf denen sich kleine menschliche Figuren tummeln. Dabei entstehen Szenen voller Aberwitz. Nina Rike Springer, 1976 in Klagenfurt geboren, hat in Wien studiert, mit Studienaufenthalt an der Bauhaus-Uni in Weimar. Sie ordnet die Farben und Formen so an, dass sie wie die Steckelemente auf einer Platine aussehen. Und dazwischen kauern diese kleinen Menschen, eingezwängt und irgendwelche Tätigkeiten verrichtend. „Wie verhalten sich Menschen, wenn sie zur Anpassung an äußere Gegebenheiten gezwungen werden?“, fragt sich die Künstlerin. Das ist ihre Antwort darauf: ein Bild, in dem Menschen zum Teil der Maschine werden. Diese Maschine diktiert auch die Freizeit. Freizeit wird zum Fetisch, an den völlig übersteigerte Erwartungen gestellt werden. Und so inszeniert sich Nina Rike Springer auf ihren Fotos noch entrückter als Ferdinand Hodler seine Eurythmie-Feen. In idyllischer Landschaft treibt sie „Water Yoga“, widmet sich dem „Deep Relaxing“ und anderen Exerzitien, die mindestens Erleuchtung versprechen.

Springer behandelt in ihrer Kunst Situationen, Gefühle und Ängste, die jedem widerfahren können. Deshalb verwandelt sie sich: Aus Nina Rike wird ein anonymer Typus, indem sie sich Gummi-Badekappen aufsetzt. Die Badekappe wird zur Uniform, verwandelt sie zum Durchschnittsmenschen. Oft zur kleinen Heerschar von solchen, die auf den Fotografien ihren Dienst verrichten. Etwa als „Wasserfalter“, die mit nichts anderem beschäftigt sind, als eine fallende Kaskade blauen Stoffs in Falten zu legen. Was für eine sinnlose Aufgabe! Und was für eine schöne! Denn ins Raster der durchfunktionalisierten Tätigkeiten passen die Wasserfalter nicht. Im Sinnlosen lässt sich die Freiheit finden. Das wussten schon die Dadaisten.Vielleicht wirkt deshalb manches absurde Foto von Nina Rike Springer nicht trübsinnig, sondern humorvoll und leicht.

Auch im Gespräch sprüht die Künstlerin vor Witz. Sie blättert in einem Katalog und sagt: „Das sind Porträts nach altmeisterlicher Art. Nur, dass man die Gesichter nicht sieht.“ Man lacht; allerdings zu früh. Denn sie hat ja recht. Die Badekappenköpfe verbergen zwar ihre Gesichter, aber umgeben sind sie von Farben und Formen, die ihren Charakter eben doch verraten: Rote Dreiecke drücken Aggressivität und Energie aus, ein blauer Kreis wirkt lyrisch-mysteriös. Nina Rike Springer erschafft eine Art symbolistische Fotografie mithilfe des geometrischen Grundbaukastens. Dabei wirkt ihre Bildästhetik zeitlos. „Ich mag den Futurismus der 1960er Jahre“, sagt sie. Und so schaut ihre Bildsprache immer zugleich in die Vergangenheit wie in die Zukunft. Das schafft eine Spannung, die ihre Arbeit trägt.

Bemerkenswert sind auch Springers Videoarbeiten. Mit sich selbst als Protagonistin hat Nina Rike Springer ein Musikvideo zum ultimativen Lovesong des Pop gedreht: „I will always love you“ von Whitney Houston. In diesem Stop-Motion-Film wechselt sie sprunghaft die Gesichtsausdrücke. Mal wirkt sie völlig unbeteiligt, mal psychopathisch überdramatisierend. Ein groteskes und zum Lachen reizendes Video, das aber zugleich befremdlich und unheimlich ist, weil es die glatte Illusionswelt des schmachtenden Liebeslieds gründlich aufbricht. Nina Rike Springer gefällt es zwischen den Stühlen. Ihre Kunst ist nie eindeutig, auch nicht in den Gefühlen, die sie weckt. Davon kann man sich in ihrer Ausstellung „I believe I can fly“ überzeugen. Gezeigt werden aktuellen Projekte, an denen die Künstlerin im Rahmen ihres Stipendiums weiterarbeitete.