Das soziale Kunstwerk: Die Gruppenschau „Beehave“

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11. Oktober 2018
Text: Fiona Hesse

Beehave.
Kunsthaus Baselland, St. Jakob-Str. 170, Basel-Muttenz.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 11. November 2018.

www.kunsthausbaselland.ch

Zur Ausstellung ist eine Publikation erschienen:
Verlag für moderne Kunst, Wien 2018, 192 S., 25 Euro / 25 Franken.

Spätestens seit dem weltweiten Erfolg von Markus Imhoofs Filmdoku „More than Honey“ (2012) sind sich alle der elementaren Bedeutung der Biene für die Menschheit bewusst. Und doch, fragt Direktorin Ines Goldbach bei der Vernissage der Ausstellung „Beehave“ im Kunsthaus Baselland zu Recht: Was ist seitdem geschehen, „haben wir uns bewegt“? Die in Kooperation mit der Fundació Joan Miró konzipierte Gruppenschau bietet mit Arbeiten internationaler und regionaler Künstler mögliche Antworten. Denn als „Seismografen“, so Goldbach, könnten Kunstschaffende nicht nur für schwer fassbare Themen sensibilisieren, sondern auch „helfen, zu sehen“. Und das ist durchaus mehrdeutig gemeint, da die sorgfältig kuratierte Schau das Thema mit allen Sinnen erfahrbar macht. So werden die Besucher bereits von einem leichten Duft nach Bienenwachs begrüßt, der sich im Zusammenhang mit Arbeiten wie „Wachsstele“ oder „Vom Gesang der Bienen“ von Andrea Wolfensberger oder „Constellation Ordinaire #9 (nids d#abeille)“ von Jan Kopp intensiviert. Xavi Manzanares und Àlex Muñoz laden mit „Eixams (Swarms)“ zum Liegen ein und ermöglichen durch visuelle und auditive Ergänzungen, die Aktivität eines Biens – so wird der Superorganismus des Bienenvolkes bezeichnet – körperlich-sinnlich zu erfahren.

Was in dieser Ausstellung alle Künstler miteinander verbindet, ist nicht nur das grundsätzliche Interesse an Bienen, sondern vor allem die Frage, was wir Menschen von ihnen lernen können. Mit Blick auf das globale Geschäft mit Honig findet Enrique Fontanilles in seiner Arbeit „Economy Eats Democracy, Devours Bees“ dabei eindeutige Worte. Dass die Strukturen eines Bienenvolkes ein Fallbeispiel für die heutigen Demokratien darstellen könnte, ist für ihn eindeutig. Die Lettern an der Wand in Goldfarbe, dazu die in Barrenform gepressten Bienenwachsblöcke auf dem Boden – der Gedanke an Jenny Holzers „Truisms“ liegt nahe: „You always have the freedom of choice“, lautet einer davon. Aber haben wir wirklich noch eine Wahl? Die überall in der Ausstellung verteilten, bronzenen und silbernen Abgüsse toter Honigbienen, Hummeln und Wespen von Marta Margnetti lassen Schlimmes vermuten. Doch was wäre die Kunst ohne die Vielfarbigkeit der Hoffnung!

Luis Fernando Ramírez Celis Arbeit „Corte“ wurde von der Stabilität und Festigkeit der Bienenwaben inspiriert – eine Vision für eine Architektur der Zukunft? Auch Mirko Baselgia ist an der Bauweise der Bienen interessiert. Für seine Serie „Midada da structura“ hat er Bienenkästen mit arabisch anmutenden Ornamenten innerhalb der Rahmen für den Wabenbau bestückt, so dass die Bienen von der exakten, sechseckigen Bauweise zugunsten von Variationen abweichen.

In dem Gestaltungswillen der Bienen sah bereits Joseph Beuys eine Parallele zum Menschen. Sein frühes Interesse an dem transformativen Potential eines Bienenvolkes spiegelt sich in seinem Aquarell „Bienenkönigin“ wider. Philip Wiegards Zeichnungsinstallationen „Artist Screening #1“ und „#2“ können daher auch als Versuch verstanden werden, das Kollektiv der Bienen auf die menschliche, zwischen gemeinschaftlicher Struktur und Individualismus befindliche Zusammenarbeit zu übertragen. Auch die Monotypie „Bienenflug“ Meret Oppenheims lässt sich mithilfe von Gedanken über unsere eigene, von Unbewusstem und Sozialisierung geprägte Kommunikation im Vergleich zu jener innerhalb eines Biens heute neu sehen.

Vielleicht ist es ja doch noch nicht „zehn nach Zwölf“, wie Ines Goldbach in ihrer Rede herausfordernd behauptete. Und vielleicht ist es tatsächlich die Auseinandersetzung mit Werken der Kunst, die es uns ermöglicht „to behave“ und innerhalb unseres menschlichen „beehive“ eine eigene, innere Haltung zu entwickeln, welche dazu beitragen kann, den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Untergang der Menschheit aufzuhalten.