Lynn Hershman Leeson

Review > Basel > Haus der elektronischen Künste
25. Juni 2018
Text: Annette Hoffmann

Lynn Hershman Leesson.
Haus der elektronischen Künste, Freilager-Platz, Dreispitz, Basel-Münchenstein.
Bis 5. August 2018.

www.hek.ch

Am Ende zur Einführung in ihre Ausstellung „Anti-Bodies“ im Haus der elektronischen Künste (HeK) Basel wird Lynn Hershman Leeson (*1941) poetisch. „Wie ein Haiku“, sagt die amerikanische Konzeptkünstlerin und nickt zu dem in die Wand eingelassenen transparenten Safe hinüber. Dazu muss man wissen, dass dort die Ampulle mit ihrem Antikörper und ihrer DNA aufbewahrt wird, die in ihrer Basler Schau nicht nur präsentiert, sondern ganz pragmatisch als Speichermedium von Arbeiten der Künstlerin genutzt wird. Wie ein Haiku konzentriert sich dieses Material auf das Wesentliche, ist aber hochkomplex. „Anti-Bodies“ war für alle Beteiligten eine zeitaufwendige Ausstellung. Der Antikörper wurde in einem Labor der Novartis hergestellt und wie ein Motiv zieht sich durch die Ausstellung, dass man bei bedeutenden Wissenschaftlern wie dem Genetiker George Church nicht etwa gleich einen Termin bekommt, sondern meist ziemlich lang warten muss. Der Laie ahnt, die wissenschaftlichen Komplexe, an denen sich die Künstlerin andockt, müssen eine gewisse Relevanz haben.

Dabei ist Lynn Hershman Leeson nicht irgendjemand, sondern gehört zu jenen, die bereits in den 1960er Jahren die Auswirkungen von Technologien auf unsere Identität und unseren Alltag begriffen hatten. Mit der Kunstfigur Roberta Breitmore schuf sie in den 70er Jahren einen analogen Avatar mit einem eigenen Leben, der Fragen nach Privatsphäre und Überwachung, aber auch nach Stereotypen von Weiblichkeit aufwarf. Hershman Leeson hat sich schon früh mit dem Cyberspace auseinander gesetzt. Wenn sie sich jetzt mit Identität auf der Höhe der Biotechnologie befasst, ist das nur konsequent. So hat sie im HeK keineswegs ein Labor für einen neuen Frankenstein eingerichtet. Ihre Haltung ist von freundlicher Neugierde geprägt und so kann man sich in Basel sogar einen weißen Laborkittel überziehen und sich ein bisschen zugehörig fühlen. Eine zeitgenössische Künstlerin wie Hershman Leeson versteht sich weniger als Homo faber, sondern auch als Wissensproduzentin. Auf Schaubildern erklärt sie die neuesten Technologien, wie menschliche Organe geprintet werden, auf einer Wandtapete sind Klonversuche gelistet, von Monsanto-Saatgut bis hin zu Zebrafischen, die im Dunkeln leuchten. Die kurze Dokumentation über die Behandlung eines an Leukämie erkrankten Mädchens verbreitet viel Fortschrittsoptimismus und verschweigt die andere Seite einer Medizin, die sich noch in der Erprobung befindet. Hershman Leeson macht sich zu Michelangelo, wenn sie zwei Spritzen aufeinander zuführt als wollten sich Gott und Adam berühren. Und greift die Wissenschaft nicht längst in die Schöpfung ein? Die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft jedenfalls lösen sich in dieser Schau auf, die zugleich bewusst macht, wie wenig sich die Gesellschaft über die aktuellen Forschungen informiert. Lynn Hershman Leesons Antikörper, der aus den Aminosäuren zusammengesetzt ist, deren Buchstaben den Namen der Künstlerin ergeben, hat sich als sehr, aber eben nur leicht bindungsfähig erwiesen und ist daher für die Immuntherapie nicht geeignet. Aber das sollte man wohl nicht allzu symbolisch nehmen.