Mika Rottenberg: Korrespondierende Röhren

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17. Juni 2018
Text: Christian Gampert

Mika Rottenberg.
Kunsthaus Bregenz, Karl-Tizian-Platz, Bregenz.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 1. Juli 2018.

www.kunsthaus-bregenz.at

Vieles ist einfach nur Spielerei bei Mika Rottenberg. Wenn gleich im ersten Video langnasige Männer niesen müssen und dabei in einem merkwürdigen Geburtsvorgang mal ein Stück Fleisch, mal einen fetten Dürer-Hasen auf den Schreibtisch spucken, dann ist das ein netter Zaubertrick – die Künstlerin zieht ein Kaninchen aus dem Zylinder. Und doch ist dieser kleine Willkommensgruß auch Programm. Bei Mika Rottenberg (*1976) geschieht immer das Unerwartete, Ungewöhnliche und das, was nicht miteinander vereinbar ist, wird mit Vorbedacht kombiniert. Milch sprudelt nicht aus Eutern, sondern aus Erdlöchern, statt eines Bartes wachsen Wäscheklammern im Gesicht. Die sehr alten Traditionen des Surrealismus und Dadaismus winken da aus den Kulissen.

Mika Rottenberg, die in Buenos Aires geboren wurde und in New York lebt, lässt ihr Publikum ständig durch düstere Gänge, Tunnel, Schleusen oder Bretterbuden laufen, damit man sieht und fühlt, welch dunkle Mächte im Kapitalismus am Werk sind. Die Frauen in der Ausbeutungsmaschinerie werden allerdings nicht auf moralische Art gezeigt; die Szenen sind meist lustig, schrill und schräg, manchmal auch geheimnisvoll.

Gleich die erste Installation „Cheese“ aus dem Jahr 2008 schließt an ländliche Vorarlberger Verhältnisse an: in einer windschief zusammengenagelten Bauern- oder auch Stammeshütte warten Monitore mit skurrilen Filmen. Einerseits beschäftigen sie sich mit der Milch- und Käseproduktion, andererseits zeigen sie Frauen mit überlanger erotischer Haarpracht, welche dauernd geschüttelt wird. Das wiederum hat mit einer Werbekampagne für Haarwuchsmittel zu tun – die Bezüge zwischen Landwirtschaft und Erotik, freilaufenden Gänsen und Ziegen und freilaufenden Frauen erschließen sich aber wohl nur feministisch Eingeweihten in voller Konsequenz.

Ernster wird es, wenn chinesische Arbeiterinnen an langen Tischen Muscheln öffnen und Perlen aus ihrer Behausung lösen. Die extreme Armut der Frauen konterkariert die wertvollen Perlen, die sie sortierend durch die Finger gleiten lassen. Die Sozialdoku wird nun gegengeschnitten mit einer surrealen Küche einen Stock höher, wo eine üppige Blondine mit dem schmutzigen Geschirr aus der Kantine sitzt. In einer Ecke steht eine Schachtel mit Perlen, aus denen nackte Füße wachsen. Auch der Blondine wächst nun eine Pinocchio-Nase.

Manchmal ist in den Räumen eine wohltuende Stille, in der Regel aber liegt unter Rottenbergs Installationen ein nervender, manchmal auch eruptiv kreischender Sound. Die ausgebeuteten Frauen in den Filmen sind nicht gerade Schönheiten, eher fettleibig und gelangweilt. Aber gerade das verleiht ihnen eine absurde Präsenz. In einer langen Kamerafahrt an chinesischen Spielzeugläden entlang sieht man Verkäuferinnen, die im bunten Plastik quasi verschwinden – man steht völlig entgeistert davor, weil man weiß: diese Plastikmassen werden morgen verkauft und sind übermorgen Müll; und der Mensch versackt in der Materie.

Gerade die Arbeit „Cosmic Generator“, aus der diese Bilder sind, entfaltet in Bregenz eine große Kraft: stoische Aufnahmen des Grenzzauns in der amerikanisch-mexikanischen Wüste werden verbunden mit dem kapitalen Durcheinander beidseits der Grenze und der chinesischen Ess- und Plastikkultur. Ein unterirdisches Röhrensystem verknüpft die Jeff-Koons-artige Spielzeugwelt mit der Lotterie der Finanzmärkte – es ist auch ein Röhrensystem kunstimmanenter Anspielungen und Verweise, das Rottenberg da bedient. Die überzeugendste und neueste Arbeit „Frying Pans“ allerdings ist nicht bunt, sondern dunkel und sakral. Wie in einem antiken Altarraum stehen da lauter Pfannen herum, Stellvertreter weiblicher Arbeit, die rhythmisch erhitzt werden. Der Dampf, der dann aufsteigt, wirkt wie Weihrauch, wie eine überirdische Belohnung. Das ist auch visuell viel besser als die federleichten Plastikmärchen aus der Welt des Kapitals.