Maja Rieder

Porträt
14. Juni 2018
Text: Annette Hoffmann

Maja Rieder, Swiss Art Awards 2018, Messe Basel, Halle 3.
maja-rieder.ch

Eigentlich ist es paradox. Ausgerechnet jemand, der wie Maja Rieder (*1979) ein Raster seinen Arbeiten zugrunde gelegt hat, reibt sich an der Messearchitektur. Die Präsentation der Swiss Art Awards ist streng konfektioniert und auf Kojen ausgelegt. Maja Rieders Zeichnungen generieren Räume. Nun wird sie ihre neuen Arbeiten in einem langgezogenen U zeigen. Es gibt Gründe, dass die industriellen und die Module von Maja Rieder nicht recht zusammenpassen wollen. Maja Rieders Grid ist letztlich von ihrem Körper und seinem Bewegungsradius abgeleitet, zudem setzt sich die Basler Künstlerin zwar Regeln, doch jede kleine Abweichung ist eine willkommene Variation und ein neuer Ansatz, der weiter verfolgt werden kann. Das gehorcht einer gänzlich anderen Pragmatik als die einer normierten Architektur.

Maja Rieders Arbeiten mag man als Zeichnungen verstehen, doch ihre Entstehungsweise ist so körperlich wie die von Malerei. Mitunter tunkt sie Bögen, die sie von Papierrollen abschneidet in Farbe, sie legt sie in ihrem Atelier zum Trocknen aus, faltet sie, um sie wieder auszubreiten. Ihren eigentlichen Ursprung haben diese neueren Werke, die sie als Rauminstallationen hängt, in architektonischen Zeichnungen, an denen sie vor zehn Jahren gearbeitet hat und die etwa im Kunsthaus L6 zu sehen waren. Damals klebte sie auf dem großformatigen Papier, in das sie Grafit rieb, großzügig Wände, Mauern oder Fenstern mit kleineren Stücken Papier ab, wodurch ein Zusammenspiel von Weißraum und grauen Flächen, Linien und Segmenten entstand. Man konnte diese sowohl abstrakt als auch konkret wahrnehmen und doch hatten sie etwas Schwebendes. Aus den Handgriffen des Abklebens hat sich mit dem Papier ein neuer Ansatz entwickelt. Was eigentlich ein Hilfsmittel war, ist jetzt Bildträger geworden. Während das X, das Maja Rieder mit breitem Pinsel mit Chinatusche über das eher spröde Papier malt, immer auch etwas Konstruktivistisches hat. Man kann es sich gut als Träger von Architektur vorstellen oder mit einem Dreieck versehen gleich als stilisiertes Haus. Das X sei auch deshalb reizvoll, sagt Maja Rieder im Gespräch, weil es über keine rechten Winkel verfüge und es sich aus der Fläche herausschraube und nach oben hin abstoße. Es ist Muster, Zeichen, hat eine Verweisstruktur und kann selbst Symbol sein.

In ihrer Einzelausstellung im Kunsthaus Baselland im letzten Jahr zeigte sie im zweiten Raum neben farbigen Papierarbeiten groß dimensionierte Objekte aus Wellpappe. Was Maja Rieder als Zwischenschritte bei ihren Papierarbeiten praktiziert, war hier Endzweck und sah nach Origami aus. Die Faltungen schufen unterschiedliche Formen und verdeutlichten das räumliche und skulpturale Potential von Rieders Arbeiten, das sich auch bereits in gehängten Arbeiten wie den „Faltern“ zeigte.

Von den frühen Zeichnungen bis zu den installativen Arbeiten heute besteht eine organische Verbindung. Eines hat sich aus dem anderen wie in einem energetischen Prozess entwickelt, so wie in einer Kontaktimprovisation, in der der Widerstand eines anderen Körpers eine neue Dynamik entfacht. Die Arbeiten von Maja Rieder thematisieren auf ihre Weise die freie Kunst als Exis­tenzform und dass es, um das volle Potential auszuschöpfen, gut sein kann, einen Rahmen zu setzen. In einem solchen Freiraum kommt es dann auf jedes Detail an, wie viele Linien ein Pinsel zieht oder wie stark beziehungsweise schwach der Farbauftrag wird. Denn das kann darüber entscheiden, ob eine Arbeit eher als Malerei oder eher als Zeichnung wahrgenommen werde, ob sie eher flach oder räumlich wirkt.