Richard Serra, Films and Videotapes: Die Skulptur immer mitgedacht

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6. September 2017
Text: Simon Baur

Richard Serra: Films and Videotapes.
Kunstmuseum Basel Gegenwart, St. Alban-Rheinweg 60, Basel.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 15. Oktober 2017.
www.kunstmuseumbasel.ch

Die Ausstellung im Kunstmuseum Basel Gegenwart versammelt sechzehn Filme und Videos, die Richard Serra zwischen 1968 bis 1979 produziert hat und die sich teils in der Sammlung des Kunstmuseum Basel befinden, teils Leihgaben aus dem Museum of Modern Art, New York, sind. Mit Ausnahme eines Videos wurden sämtliche Vorführkopien mit Serras Unterstützung produziert, da das Museum seit Längerem an der Entwicklung neuer Restaurierungsverfahren für zelluloidbasierte Kunst arbeitet. Die 16-Millimeter-Filme werden von Projektoren abgespielt, für die Ausstellung hat Kurator Søren Grammel eine einfache, kinoähnliche Architektur geschaffen, die ein optimales Seherlebnis ermöglicht. Zudem erscheint zur Ausstellung ein Manual, das lesenswerte Aufsätze von Maja Naef und Tom Holert sowie erläuternde Werkbeschreibungen von Søren Grammel enthält.

Richard Serra (*1939), der zu den bedeutendsten Gegenwartskünstlern gehört, wird nicht nur in hiesigen Breitengraden mit seinen monumentalen Skulpturen aus Stahl in Verbindung gebracht. Immer wieder wurde deshalb der Versuch unternommen, seinen Filmen eine Art skulpturales Prinzip zu unterstellen. Ein Versuch, den auch Richard Serra, obwohl er sich mehrfach dazu geäussert hat, bisher nicht gänzlich entkräften konnte. Schliesslich begann er mit Skulpturen, Filmen und Videos zur selben Zeit, doch aus Serras Perspektive erscheint es unsinnig, Film und Videos skulpturale Eigenschaften zuzuschreiben. Søren Grammel bemüht in der Einleitung des Manuals die unterschiedliche Rezeptionsweise: „Diese unterscheidet sich dadurch, dass Film und Video – als flächige Medien behandelt – die Bewegung der BetrachterInnen aussen vor lassen, wohingegen Skulptur – gerade in Serras Konzeption – bewusst mit den möglichen Positionswechseln der BetrachterInnen im Umraum des Werkes arbeitet“.

Immerhin vermögen Augen und Körper die flächigen Eigenschaften von Film und Video zu kompensieren und sie als ähnlich körperlich wie Serras Skulpturen aufzufassen. Dafür bedarf es einiger Schulung und Übung, die allerdings nicht jedermanns Sache ist. Kommt hinzu, dass Serra selbst als Inspirationsquellen neben Andy Warhol auch Michael Snow und Yvonne Rainer, die bekannte Choreographin und Tänzerin, nennt, deren Körperarbeit eine Verwandtschaft zu Serras Skulpturen aufweist. Wie auch immer. Richard Serras Filme thematisieren Skulpturales, Räumliches, sowie Rhythmus und Bewegung, indem sie die einfachsten Mittel und Möglichkeiten des Körperlichen verwenden. So wie dies ähnlich Bruce Nauman tat. 

In der Filmarbeit „Hand Catching Lead“ (1968) greift Serras Unterarm und gespreizte Hand in den Bildausschnitt. Die Handinnenfläche ist den Betrachtern zugewandt und versucht Bleistücke die von oben ins Bild fallen zu ergreifen und wieder loszulassen. „Hands Scraping“ aus dem gleichen Jahr zeigt, wie vier Hände auf dem Boden verstreute Bleispäne aus dem Bildausschnitt zu schaffen versuchen. „Hands Tied“ beginnt mit dem Versuch einer Entfesselung und endet mit der befreiten Hand, während „Hand Lead Fulcrum“ eine Hand zeigt, die eine Bleirolle am oberen Bildrand stemmt und durch Gesetze der Ermüdung und Schwerkraft diese allmählich gegen unten führt.

Andere Filme wie „Railroad Turnbridge“ (1976) oder „Steelmill“ (1979) widmen sich technischen Anlagen und Verfahren, die Serra als Inspirationsquelle oder Arbeitsmaterialien für eigene Arbeiten verwendete. Sie alle illustrieren, welch zentrale Bedeutung Körperlichkeit, Raum, Ort und Zeitlichkeit für Serras Werke haben und wie sehr man diesen Filmen – trotz der Widerrede des Künstlers – skulpturale Eigenschaften unterstellen darf. Was in Basel gezeigt wird, gehört zum Kanon der Kunst des 20. Jahrhunderts und sollte im Kalender jeder Kunstliebhaberin und und jedes Kunstliebhabers fett markiert sein.