Mark Dion, The Wondrous Museum of Nature: Ambivalente Faszination

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17. April 2017
Text: Annette Hoffmann

Mark Dion, The Wondrous Museum of Nature
Kunstmuseum St. GallenMuseumstr. 32, St. Gallen.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 17. September 2017.

Brot und Salz für die neuen Mieter waren anscheinend nicht genug. Mark Dions Intervention „The Wondrous Museum of Nature“ in den Räumen des ehemaligen Naturmuseums St. Gallen gleicht einem Ritual. So als diente seine Schau dem Übergang. Bis November letzten Jahres teilten sich Kunst- und Naturmuseum St. Gallen ein Haus, dann bezog das Naturmuseum einen Neubau. Für Mark Dion (*1961) muss es eine willkommene Gelegenheit gewesen sein, denn die Räume sind nicht nur großzügig, der amerikanische Künstler stieß hier auch auf Versatzstücke der musealen Szenografie und auf Strategien der Vermittlung von Wissen und Wissenschaftsgeschichte. Auf einer Art Stufenleiter des Lebens, die mit zahlreichen Exponaten bestückt ist, steht etwa: „Sammlungen sind Archive der Natur. Sammeln heißt bewahren. Sammlungen sind totes Kapital.“ Es gibt vermutlich Gründe, warum diese hierarchische Darstellung des Lebens nicht in die neue Dauerausstellung des Naturmuseums übernommen wurde. Unweit dieser „Scala naturae“ findet sich Dions große Installation „The Tropical Collectors (Wallace, Bates and Spruce)“. Die Ansammlung verschiedener Behältnisse, Kescher, Vorräte und Bestimmungsbücher macht einerseits deutlich, wie aufwändig und beschwerlich Expeditionen waren. Alfred Wallace, Henry Walter Bates und Richard Spruce reisten im 19. Jahrhundert gemeinsam in das Amazonasgebiet. Sie zeigt aber auch, dass Natur als Kapital betrachtet wurde. Die Reisenden fingen und erlegten exotische Tiere, um sie zu verkaufen und so ihre Unkosten zu decken. Sie töteten, was sie erforschten.

Mark Dion zielt dabei in zwei Richtungen. Mit Arbeiten aus seiner Serie des „Tar Museum“ zeigt er den Einfluss des Menschen auf Ökosysteme. Tierskelette sind mit einem teerähnlichen Schwarz überzogen und stecken in einem Morast von Industriemüll oder Reichtümern, wie sie in Stillleben die Eitelkeit des Lebens symbolisieren. Was der Mensch anfasst, wird nicht zu Gold, sondern er erstickt alles in Teer. Andererseits zielt Dion auf Repräsentationen der Natur ab, die für die Tiere nicht weniger tödlich endet. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Dion selbst ist ein passionierter Sammler, seine Auseinandersetzung mit Museen und Ordnungssystemen der Wissenschaft ist ernsthaft. Sie findet ihre Entsprechung in Dioramen und Vitrinen oder in der humorvollen Naturgeschichte, die unter Schwarzlicht fluoreszierend leuchtet und Fabelwesen aus Tierbüchern des 16. Jahrhunderts kennt. Dion weckt aber auch ambivalente Gefühle, wenn man sich einem in einem halboffenen Bauwagen zwischen Plastikpflanzen eingepferchten Bison gegenübersieht. Die Präsentation ist armselig und hat etwas von Volksbelustigung, das Tier jedoch ist imposant. Mark Dion zeigt, wohin die Faszination für die Natur führen kann.