Kerstin Brätsch: Kompressoren für Innovation

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9. Juni 2017
Text: Christoph Sehl

Kerstin Brätsch, Innovation.
Museum Brandhorst, Theresienstr. 35a, München.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18,00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 17. September 2014.
www.museum-brandhorst.de

Die Kunst – und in spezifischer Weise die Malerei – wird ja dort auf einem hohen qualitativen Niveau weitergeführt, wo sie auf die Bedingungen ihrer eigenen Unmöglichkeit stößt. Mit der monografischen Ausstellung „Innovation” von Kerstin Brätsch (*1969) zieht das Museum Brandhorst eine Linie von seiner komplexen Auseinandersetzung mit der Malerei wie in der Überblicksschau „Painting 2.0” hin zu einer Einlassung, nicht auf im historischen Kontext vorfindbare Selbstversicherungen und einem daraus hervorgehenden Ausloten der Grenzen, sondern auf das Betreten nicht-kartografierter Gebiete des Neuen.

In einer der gezeigten Videoarbeiten wird Kerstin Brätsch von einem weiblichen Künstlercyborg, dessen Gesicht mit einem Pinsel verschmolzen ist – es ist Brätsch selbst – auf Englisch gefragt, ob sie eine der Künstlerinnen sei, die abstrakt male. Es kommt keine Antwort. Sie meine wirklich weiblich … und abstrakt … Doch Brätsch bleibt stumm und im weiteren Verlauf lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass sich aus dem Wort „paint” das „t” davonschleicht. Die Antwort bleibt aus, stattdessen erhebt sich ein irritierendes Lachen, erst kurz, dann immer breiter werdend, begleitet von seltsamen Gesten, plötzlich könnte es von überall herkommen, als erhebe sich dieses Gelächter über die Abstrusität einer inquisitorischen Situation – mag sein, man könnte sich so das Lachen der Thrakerin vorstellen, das ein Lachen über eine Rationalität ist, die alles beherrscht, aber nie da gewesen ist, auch nie wirklich da sein wird, weil sie in diesem Lachen eine täppische Illusion bleiben wird.

„Female abstract painting” trifft es nicht, was man in dieser Ausstellung sieht, in einer Fülle an hauptsächlich gemalter Kunst, großformatige Malerei – und dort, wo die Malerei verlassen wird, sind es Grenzüberschreitungen der Malerei, Abwandlungen, Ableitungen, Transformationen. Überhaupt ist es eine Ansammlung an Irritation für jede Form von Etikettierung, auch der durch den Begriff der Malerei, der nur mehr ein vages Zentrum dessen ausmacht, worum die Kunst organisiert wird. Der ontologische Kern des Bildes löst sich unmerklich auf, seine Zugehörigkeit zur Wand ist nicht mehr gesichert, das Bild kann überall erscheinen, seine Materialität spielt durch ausgeklügelte Reflexionen in andere Medien hinüber und jener Grundbestand, das Verhältnis der Kunst zur Subjektivität, wird in die Hinterzimmer des fast Autorenlosen geleitet.

Das Attribut der Subjektivität ist ja die Mitte, um die herum die Kunst lange Zeit gedacht wurde, mit der doppelten Funktion, sie selbst damit zu legitimieren wie auch dem subjektive Denken durch die Kunst einen paradigmatischen, wenn nicht transzendenten Status zu geben. Was es nun heißt, das Verhältnis von Malerei und Subjektivität aufzuweichen, zu parodieren und zu destabilisieren, lässt sich gut und intelligent in der Ausstellung von Kerstin Brätsch „Innovation” nachvollziehen, und das gerade dann, wenn man sich die Frage stellt, was von der Malerei bleibt, wenn das Subjekt aus ihr herausfällt. Und es bleibt viel, sehr viel. Nur verschieben sich die Verhandlungsformen; der Blick fällt auf Kerstin Brätsch, nur diese ist vor allem in Vernetzungen, Beziehungen zu entdecken, Kaya, Das Institut etc.

In die Ausstellung begleitet einen ein Werbeplakat für Kompressoren als würde man sich auf einer Messe für irgendwelches technisches Gerät befinden – Brätsch Kompressoren, beworben mit dem Slogan „Innovation”. Den Kompressor als eine Art Metapher zu sehen, insofern durch ihn Materie durch Energie verdichtet und wieder ausgestoßen wird, erinnert an eine Beschreibung der Modalitäten im Prozess der Sinngebung: „diskrete Energiemengen durchlaufen den Körper des späteren Subjekts und setzen sich im Laufe der Subjektwerdung nach Maßgabe von Zwängen ab (…)”, so Julia Kristeva. Die Bedingungen der eigenen Unmöglichkeit des Künstlers und seine Einlassung darauf sind es, die zur „Revolution des Poetischen” führen und zu Arbeiten, die im Augenblick der Gegenwart, auch als subkutane Einspeisungen in die Welt der Bilder verhandelbar sind.