Natascha Meuser: Architektur im Zoo. DOM Publishers, Berlin 2017, 2 Bde., 448 S., 98 Euro | 126 Franken, und 164 S., 28 Euro | 36.90 Franken.
Die Welt in der Stadt.ifa-Galerie, Stuttgart. Bis 2. Juli 2017.
Ausstellen ist immer auch eine Frage der Ethik. Woher kommen die Dinge in unseren Museen, von wem wurden sie erworben und zu welchen Konditionen? Weniger an Museen denn an Zoos richtet sich eine andere, weitreichendere Frage: Ist es mit unseren ethischen Grundsätzen vereinbar, Lebewesen ihre Freiheit zu nehmen, um sie öffentlich auszustellen – und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Seit etwa 150 Jahren macht sich eine wachsende Schar von Forschern, Architekten und Philosophen genau darum intensiv Gedanken. Schon 1912 formulierte Gustave Loisel Leitlinien für die Konzeption und den Betrieb von Zoologischen Gärten, die sich seiner Auffassung nach am Wohlbefinden der Tiere orientieren sollten. Wesentlich dafür seien: „1. artgerechte Ernährung, 2. Raum und Gelegenheit für Bewegung, 3. artgerechte Unterbringung, die so weit wie möglich den natürlichen Lebensbedingungen der jeweiligen Art entspricht”. Während der französische Zoologe hier bereits die Standards des modernen Tierschutzes skizzierte, verharrte man anderswo noch in neuzeitlicher Barbarei: So hatte der Deutsche Carl Hagenbeck nur vier Jahre zuvor einen Tierpark bei Hamburg eröffnet, in dem eigens Gehege für Somalier, Äthioper und Beduinen vorgesehen waren. Bizarre Gleichzeitigkeiten wie diese zeigen, wie eng die Geschichte der Zoologischen Gärten als urbane Architekturen mit den gesellschaftlichen Vorstellungen des Verhältnisses von Mensch und Natur, Wildnis und Zivilisation, kultureller und geologischer Landschaft verbunden ist. Natascha Meuser, Verlegerin, Architektin und Professorin an der Dessauer Hochschule, erzählt diese Geschichte des Bauens für Tiere nun erstmals umfassend in einem opulenten Bildband. Angefangen bei Pionierbauten wie der 1805 eröffneten Ménagerie du Jardin du Plantes in Paris über herrschaftliche Tropenkäfighäuser im Kolonialstil, wie sie die Zooarchitektur Ende des 19. Jahrhunderts prägten, bis hin zu den modernistisch-coolen Betonbühnen der Fünfziger oder den naturnah gestaltenen Kunstlandschaften der Siebziger entfaltet Meuser hier ein Panorama unterschiedlicher Bautypen, die von einer zunehmenden Ausdifferenzierung der Beziehung zwischen Mensch und Tier erzählen – aber auch von der immer komplexer werdenden Verdrängung dieser einen, unangenehmen Frage: Ist es heute wirklich noch okay, Lebewesen einzusperren und auszustellen? Pünktlich zum Erscheinen von Meusers Zoogeschichte samt informativem Quellenband zeigt die Stuttgarter ifa-Galerie derzeit übrigens eine Gruppenschau mit Arbeiten junger Künstler über den Zoo als „Welt in der Stadt”.