How much of this is fiction.
Haus der elektronischen Künste, Freilager-Platz 9, Basel-Münchenstein.
Mittwoch bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 21. Mai 2017.
Die Ausstellung beginnt mit einer Irritation. Zuhinterst im grossen Hauptraum steht „Guantanamo Bay Museum of Art and History“ in riesigen, orangefarbenen Buchstaben auf der schwarzen Wand. Wäre man durch „How much of this is fiction.“, den Titel der Ausstellung, nicht vorgewarnt, man wäre nicht weiter über diese Schrift an der Wand erstaunt. Die Skepsis ob ihres Realitätsgehaltes verwandelt sie in ein Menetekel, man schaut hin und ist sich nicht sicher, ob man richtig gelesen hat, geschweige denn, ob man das richtig verstanden hat. Das Orange der Buchstaben ist doch das Gleiche wie das der Overalls der Gefangenen, die seit Jahren in Guantanamo festgehalten werden und man tut gut daran den Wert der Kunst und Geschichte in diesem Museum zu hinterfragen. Guantanamo, man ist sich bei allen Meldungen, die darüber schon über den Äther flimmerten, nicht mehr ganz sicher, ist nach wie vor Realität. Obama versprach zwar das Gefängnis aufzuheben, doch noch immer werden dort Menschen festgehalten. Das Museum ist eine Fiktion, doch, und dies ist eine der Stärken der Ausstellung im Haus der elektronischen Künste, sicher kann man sich nicht sein. Denn der Werbeauftritt dieses Museums an einem Nicht-Ort ist täuschend echt. „Nicht-Ort“, der von Marc Augé geprägte Begriff, passt gut, um die Ausstellungskonzeption von „How much of this is fiction.“ im Haus der elektronischen Künste Basel zu umschreiben.
Im Juni 2016 wurde „Share the Safety“ – ein neuer Onlineshop der National Rifle Association (NRA) – in Zusammenarbeit mit dem Waffenhersteller Smith & Weston aufgeschaltet. Geworben wurde mit dem Anreiz für jede gekaufte Handfeuerwaffe eine weitere an US-Bürger in gefährlichen Innenstadtbezirken zu spenden. Und der NRA-Sprecher hatte dabei eine ganz bestimmte Zielgruppe im Visier: Homosexuelle, denn diese könnten kämpfen. Doch, man ahnt es, der Schein trügt. Hinter dem Sprecher verbirgt sich ein Mitglied der Aktivistengruppe „The Yes Men“, die mit ihrer Arbeit die Marketing- und Geschäftsstrategien der NRA kopieren und auf deren Rhetorik im Zusammenhang des Attentats von Orlando anspielen. Die gleiche Gruppe ist auch für eine andere subversive Aktion verantwortlich, die in der Ausstellung präsentiert wird. Am 20. Jahrestag der Chemiekatastrophe von Bhopal lud BBC World News einen Sprecher der verantwortlichen Firma zu einem Live-Gespräch ein. Dieser sicherte den Geschädigten finanzielle Unterstützung zu. Doch es handelte sich gar nicht um einen Sprecher von Dow Chemical, sondern um ein Mitglied von „The Yes Men“. Nicht nur das Ereignis an sich, sondern auch dessen Auflösung als „Fake News“ wurde zum Medienspektakel.
„School of Rebellion“, eine weitere Arbeit in der Ausstellung, zeigt eine Schülerrevolte, die mit einfachsten Mitteln inszeniert wurde. Clevere filmische Sequenzen und der Einsatz von Spezialeffekten erwecken den Anschein der Authentizität. Mit ihrem Projekt beabsichtigen „HeHe“ nicht nur die Fiktion und Künstlichkeit von Ereignissen zu dokumentieren, sondern auch wie diese von den Medien künstlich am Leben erhalten werden.
Zahlreiche der rund 20 Arbeiten, die in Basel präsentiert werden, sind Vermächtnisse der sogenannten „Taktischen Medien“. Doch es findet keine historische Aufarbeitung in der Ausstellung statt, vielmehr steht die Figur des „Tricksters“, beispielsweise des Hackers, im Vordergrund, der sich der Mittel eines Mediums bedient, um Fakten, News und Systeme durch minimale, meist logisch nachvollziehbare Mittel zu irritieren. Die Ausstellung „How much of this is fiction.“ ist topaktuell, denn sie reflektiert die Natur der Wahrheit in einer Zeit und Welt, die von gefälschten Nachrichten, Fehlinformationen und taktischer Propaganda bestimmt wird.