Jürgen Palmtag

Porträt
1. Mai 2017
Text: Annette Hoffmann

Jürgen Palmtag: Krakspeech, Performances im Rahmen der Reihe „On The Move” der Kunsthalle Mannheim am 22. April 2017, im Einraumhaus Mannheim (15.00 Uhr) und im kulTurm, Ludwigshafen (20.00 Uhr).
Michael Jäger | Jürgen Palmtag.
Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft, Lörracher Str. 31, Freiburg.
Samstag 11.00 bis 17.00 Uhr.
7. Mai bis 7. Juli 2017.

Der Wohnort von Jürgen Palmtag Schömberg-Schörzingen klingt wie aus einer Sound-Performance des Künstlers. Obwohl – vielleicht zu wenige harte Konsonanten. „Krakspeech“ nennt Palmtag (*1951) seine Live-Hörspiele und wenn er performt, kann das durchaus nah am Skatgesang sein, aber manchmal verschleift er die englischen Wortfolgen derart, dass sie kaum zu verstehen sind. Ein Bühnentier ist Palmtag nicht. Wer seinen Live-Auftritt mit dem Bremer Musiker und Komponisten Christoph Ogiermann beim Interpenetration Festival 2012 in Graz erlebte, sah Palmtag als ruhenden Pol neben Ogiermann, der mit dem ganzen Körper Musik machte und mit Händen und Fingern die Soundfolgen zuspitzte.

Möglicherweise liegt es genau an diesen Klangarbeiten, dass Jürgen Palmtag das Kunststück gelang, sowohl in seiner eigenen Generation wahrgenommen zu werden als auch Jüngeren Inspiration zu sein. Wer die Performances des Künstlers hört, spürt, dass er es mit Avantgarde zu tun hat, ohne dabei an schwarze Rollkragenpullover denken zu müssen und an die weihevolle Stille, die oft auf solchen Veranstaltungen lastet. Palmtags Soundarbeiten sind die geselligen Seiten eines Künstlers, der in den 1970er-Jahren in Berlin an der HdK Kunst studierte, und eben auch Maler und Zeichner ist. Im Rahmen des Pilotprojektes Gropiusstadt ließ er sich mit Laptop und Tonequipment an drei Orten im Stadtteil Neukölln nieder und produzierte live Musik. Er machte Kinder neugierig und brachte den Sicherheitsdienst gegen sich auf. Meist jedoch tritt Palmtag, der 2007 mit dem Hörspielpreis der ARD „Premieren im Netz“ ausgezeichnet wurde, zu zweit auf. Mit Emmerich Györy hat er für seine Geburtsstadt Villingen-Schwennigen die Reihe „Kernmacherei“ geschaffen. Experimentalmusiker unterschiedlichen Alters, die ansonsten bei den Donaueschinger Musiktagen, in Tokio oder New York spielen, machen seitdem auch in Villingen-Schwenningen Halt.

„Kernmacherei” ist eine Palmtagsche Worterfindung. Sprache ist nicht nur ein wesentlicher Aspekt der Performances des Multimediakünstlers, in seinen oft wandfüllenden Zeichnungen und Installationen gehen Bild und Text eine derart enge Verbindung ein, dass man diese für Comics halten könnte. Doch Jürgen Palmtag ist mehr ein Sampler, der die Popkultur als Fundus für Copy and Paste hält, als ein klassischer Geschichtenerzähler. Wie Raymond Pettibon arbeitet er vor allem mit Schwarz und dem weißen Hintergrund. Linien, Schraffuren und Flächen sind seine wesentlichen Gestaltungsmittel. Die Dynamik, die die Zeichnungen charakterisiert, erinnert an den Rhythmus seiner Soundarbeiten. Sprache habe bei ihm nicht immer eine semantische Bedeutung hat er anlässlich einer Performance im öffentlichen Raum in Saarbrücken vor sieben Jahren gesagt. Damals heftete er Neologismen an Fahrräder. „Sobald man mit Sprache zu tun hat, denkt man, sie sei ein Sinnträger. Für mich ist Sprache manchmal ein Laut, ein Lautkonstrukt. Damit arbeite ich auch sonst in meiner Kunst stark“. Es wundert also nicht, dass Jürgen Palmtag mit einer Performance den Auftakt zu einer Veranstaltung der Kunsthalle Mannheim macht, die „On the Move“ heißt und die während des Umbaus der Kunsthalle auf die Stadt und auch auf Ludwigshafen übergreift. Palmtag hat das Fortschreiten der Musik auf eine Weise verinnerlicht, die denkbar weit entfernt von Stillstand ist.