Sergej Jensen, Malerei: Das absolute Gehör für Komposition

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7. April 2017
Text: Carmela Thiele

Sergej Jensen, Malerei
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, Lichtentaler Allee 8a, Baden-Baden.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 18. Juni 2017.
www.kunsthalle-baden-baden.de

Es gibt eigentlich nichts zu sagen zu den Bildern von Sergej Jensen (*1973). Sie bilden nichts ab, sie postulieren kein neues Malereikonzept, sie sind einfach da. Es ließe sich auf ersten Blick vielleicht behaupten, dass manche der Werke Jensens Reflexe auf die Kunstgeschichte sind, auf Gemälde von Nicolas Poussin, Edgar Degas, Serge Poliakoff oder Franz Kline. Es handelt sich jedoch nicht um Paraphrasen, Dialoge mit einer künstlerischen Position der Vergangenheit, sondern nur um den zufälligen Gebrauch eines millionenfach abgebildeten Motivs. Falsche Fährte also, Schnellschuss verboten. Es geht derzeit in der Kunsthalle Baden-Baden um subtile Kommentare zum Malerei-Diskurs, die ihre Komplexität hinter Einfachheit und müden Farben verbergen

Sergej Jensen studierte bei Thomas Bayrle freie Kunst an der Frankfurter Städelschule. Er stellte international an renommierten Instituten wie der Tate Modern in London, dem Centre Pompidou in Paris und Museum of Contemporary Art, Los Angeles aus. 2013 erhielt er den Fred-Thieler-Preis. So anerkannt sein Werk ist, so rätselhaft wirkt es bei der ersten Begegnung. Häufig lässt Jensen vor allem das Material sprechen, unterschiedliche Stoffe, aufgezogen auf Keilrahmen, mitunter krude zusammengenäht, stets bedacht, Sorgfalt walten zu lassen, aber keine Perfektion. Bei Jensen bleibt alles in der Schwebe, in einer fragilen Balance zwischen Anregung und Langeweile, zwischen Kontemplation und Bedeutung. Es kommt ihm auf die Nuancen an, und die nimmt jeder anders wahr.

Was sinnfrei erscheint, kann auch absichtslos genannt werden, was wie Malerei aussieht, entpuppt sich als Bricollage, als Materialprozess und umgekehrt. Er selbst spricht von Hausfrauentechniken wie Waschen, Flicken und Nähen. Die sind aber genauso wirksam wie Sigmar Polkes gefährliche Alchimie giftiger Substanzen im Museum Frieder Burda nebenan. Das Unterstatement des Jüngeren triumphiert sogar in gewisser Weise über das Materialpathos des Meis­ters der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Jensen hält den Ball flach und leis­tet es sich, ganz in seiner feinstofflichen Welt zu bleiben. Fragen zu seinem Werk begegnet er mit Achselzucken.

Obwohl in der Ausstellung der Kunsthalle Baden-Baden kein roter Faden erkennbar ist, haben seine Werke einen bestimmten Ton, einen Hang zu matten Farben und ein absolutes Gehör für Komposition. Er macht aus einem farblich wie formal misslungenen Tischläufer ein interessantes Bild, adelt sogar eine noch gar nicht wirklich begonnene Malerei mit der Aura des Vollendeten.

Kunsthallen-Chef Johan Holten empfiehlt den Ausstellungsbesuchern nahe an die Bilder heranzutreten, um den Nuancenreichtum von Jensens Materialbildern wahrnehmen zu können. Er konstatiert auch eine haptische Wirkung der Werke, anfassen darf man die Objekte aber nicht. Der Kunsthistoriker verrät auch, dass einige der Bildträger aus Moneybags, Geldsäcken aus Jute, zusammengenäht seien, die der Künstler auf einem Flohmarkt gekauft habe. Dahinter stehe eine subtile Form der Auseinandersetzung mit dem spekulativen Geldwert der Kunst. Der Künstler möchte von dieser Anekdote jedoch nichts mehr hören. Das sei ja schon ewig lange her, wo das gewesen sei, das wisse er nicht mehr. Dennoch war die Erklärung Holtens interessant, markiert Jensens Spiel mit banalen – und auch wertvollen – Objekten doch seine spezielle, flexible Sicht auf die Dinge, das Material und seinen Bedeutungen. Auf einem der Bilder klebt sogar ein deutscher 1000-Mark-Schein. Dadurch wird es als Werk natürlich nicht bedeutungsvoller und kostbarer.

Im Umschiffen eindeutiger Botschaften, Glamour, Witz oder suggestiven Farbkombinationen, von Expression und Introspektion treibt Sergej Jensen sicher durch die Untiefen des Kunstbetriebs. Nebenbei gibt er der Malerei nochmal die Chance, rätselhafte Avantgarde zu sein. Eigentlich aber ist sein Werk nahezu immateriell, Abdruck einiger Handlungen mit gutem Ausgang.