Galerie für Landschaftskunst: Freie Ufer für freie Flüsse

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6. April 2017
Text: Seraphine Meya

Galerie für Landschaftskunst: Die Idee der freien Flusszone
Heidelberger Kunstverein, Hauptstr. 97, Heidelberg.
Dienstag, Mittwoch, Freitag 12.00 bis 19.00 Uhr, Donnerstag 15.00 bis 22.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 28. Mai 2017.

Landschaftskunst muss nicht zwangsläufig romantisch sein. Das zeigt die neue Direktorin Ursula Schöndeling im Heidelberger Kunstverein, indem sie der Hamburger Galerie für Landschaftskunst (GFLK) eine Plattform bietet. Seit 1992 arbeitet die GFLK künstlerisch und interdisziplinär an Vorstellungen von Natur, Landschaft und Stadt. Während gängige Landschafts- und Stadtplanungen vorrangig ökonomischen Anforderungen genügen, stellt die GFLK in ihrem Projekt „Die Idee der freien Flusszone“ diese konven­tionelle Denkweise in Frage. Die Mitglieder des Künstler*innen- und Kuratorenkollektivs zeigen im Heidelberger Kunstverein fortlaufende Kunst- und Forschungsvorhaben an den Flüssen Elbe, Emscher, Yamuna sowie erste Annäherungen an den unweit des Kunstvereins vorbei fließenden Neckar.

Die Hamburger Galerie für Landschaftskunst betreibt keine Land Art im herkömmlichen Sinn – es ist vielmehr Landschaftsplanung als utopische Carte blanche. Eines ihrer laufenden Projekte ist die hypothetische Schließung der Süderelbe in Hamburg für die Binnenschifffahrt. Einen der beiden Elbarme der ökonomischen Nutzung zu entziehen, eröffnet einen inspirierenden Raum für kreative Köpfe. So werden von verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern gestaltete Bildtafeln durch die Stadt gefahren, um Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Auch Plakate mit Gestaltungsvorschlägen für den hypothetischen Freiraum machen das Thema in der Stadt präsent.  Die Bildtafeln und Plakate bedecken derzeit die hohen Wände der Halle des Heidelberger Kunstvereins und bilden so eine eindrückliche Rahmung für die anderen Werke. Eines der Plakate informiert über den Tideweg der Künstler Clegg & Guttmann: Ein Steg, auf dem man auch bei hohem Wasserstand durch den Auenwald gehen kann.

Unter der Empore zeigt Florian Hüttner (*1964) die Installation „Freie Flusszone Bilderkiste“. Drei bemalte Holzkisten und drei Videos sind zu sehen, wobei die Videos jeweils eine Kiste zeigen, während diese die Isar, den Neckar und die Süderelbe hinabtreibt. Sehr präsent in der Halle sind drei große bemalte Tafeln von Magdalena Graf (*1957), die sie im Auftrag der GFLK für die Emscherkunst 2013 malte.  Dabei protokollierte die Künstlerin vor Ort über eineinhalb Jahre die Bau- und Renaturierungstätigkeiten um den ehemaligen Kloakenfluss Emscher, unter anderem auch die Performance „Die große Emscher-Teufelsaustreibung“ von Stephan Dillemuth (*1954). Die GFLK „besetzte“ ein Gebiet am Ufer „für immer und alle Zeiten“, um es von der anstehenden Umwandlung in eine naturnahe Flusslandschaft auszunehmen. Die Pleinairmalerei von Magdalena Graf auf den großen Tafeln führte auch zu einem ungeplanten Kollektiv-Werk: Kommentare, Kritzeleien, Graffiti wurden von Unbekannten hinzugefügt, über die Zeit verschwanden sogar zwei Tafeln ganz und Graf musste von vorne beginnen.

Der Gründer der GFLK, Till Krause (*1965), nimmt in all diesen Projekten eine wichtige Rolle ein. Er ist eine treibende Kraft sowie Dreh- und Angelpunkt der Kommunikation zwischen Künstlern Wissenschaftlern, Geldgebern und Interessierten. Eben diese Kommunikation ist so essentiell beim Denken alternativer Stadt- und Landschaftsplanung. Der Heidelberger Kunstverein zeigt sich mit dieser neuen Ausstellung als Ort der Auseinandersetzung mit gängigen Formen der politischen Entscheidung über Veränderungen in einer Stadt. Das ist zeitgenössisch in einer Stadt, die in letzter Zeit durch Bürgerinitiativen zur Stadtgestaltung immer wieder von sich reden machte.