Alan Kaprow, Malerei: Was vor dem Happening geschah

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6. April 2017
Text: Jolanda Bozzetti

Allan Kaprow: Malerei 1946-1957 – eine Werkschau.
Villa Merkel, Pulverwiesen 25, Esslingen.
Dienstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 28. Mai 2014.
www.villa-merkel.de
Katalog: Snoeck Verlag, Köln 2017, 39,80 Euro | ca. 48.40 Franken.

Von seinen berühmten Arbeiten ist nicht viel Materielles übrig geblieben. Es sind vor allem Fotografien, Aufzeichnungen und Nacherzählungen, die Arbeiten wie „18 Happenings in 6 Parts“ oder das ikonische Environment „Yard“ dokumentieren. Allan Kaprow (1927-2006) wollte die Kunst mit dem Leben verbinden und Situationen schaffen, in denen die Betrachter zu Akteuren im Raum wurden. Dass Kaprow, der als Aktionskünstler in die Kunstgeschichte eingegangen ist und den Begriff des Happenings prägte, in den 1940er Jahren mit der klassischen Gattung der Malerei begann, zeigt nun eine Ausstellung in der Villa Merkel in Esslingen.

Erstmals ist Kaprows Malerei aus den Jahren 1946 bis 1957 in einer umfassenden Schau zusammengetragen. Die in Kooperation mit dem Allan Kaprow Estate und der Galerie Hauser & Wirth realisierte Ausstellung versammelt etwa 50 Werke. Einige Arbeiten wurden eigens für die Esslinger Präsentation restauriert und sind nun nach langer Zeit erstmals wieder zu sehen.

Ab 1947 studierte Kaprow in New York in der Klasse von Hans Hofmann. Seine frühen Gemälde dokumentieren die intensive Auseinandersetzung mit künstlerischen Vorbildern der klassischen Moderne: Eine Interieurszene im Stile von Matisse, ein Frauenkopf in der unverwechselbaren Linienführung Modiglianis, eine Studie nach Paul Klee. In farbstarken mittelgroßen Ölbildern studiert und rezipiert der junge Kaprow seine Vorgänger, setzt sich intensiv mit der Malereitradition und den klassischen Gattungen auseinander: Stadtansichten, Porträts und Stillleben entstehen. Ab den 1950er Jahren lockert sich die Pinselführung und wird zugleich gestischer. Eine abstrakte Landschaft mit vorwiegend kräftigen Rot- und Blautönen von 1955 trägt den Titel „Homage to Monet“. Ab den 1950er Jahren sind es zwei zeitgenössische Künstler, die großen Einfluss auf Kaprow ausüben: Jackson Pollock und der Musiker und Komponist John Cage, bei dem Kaprow ebenfalls studierte. Von Pollock übernimmt er die Idee des All-Over: auch Kaprows Leinwände scheinen das klassische Bildgeviert auszudehnen und überschreiten zu wollen. Großformatige Leinwände wie etwa „From James Joyce’s ‚Ulysses‘“ von 1956 zeigen abstrahierte Figuren, die im Raum agieren und sich nach allen Richtungen hin zu bewegen scheinen. 1958 verfasste Kaprow, der ab 1956 an verschiedenen Universitäten unterrichtete und sich stets auch als Kunsthistoriker und Theoretiker verstand, den Aufsatz „The Legacy of Jackson Pollock“. Darin fasst er seine Entwicklung von der Malerei über die Environments hin zu den Happenings zusammen und bindet diese neue Kunstform an den abstrakten Expressionismus und namentlich an die Malerei Pollocks zurück. Der Einfluss des Musikers Cage schlägt sich in der starken Rhythmisierung der Bilder nieder. Mitte der 1950er Jahre entwickelt Kaprow die „Action Collage“: kleine und mittelgroße Formate, die in möglichst kurzer Zeit entstehen sollen. Der Prozess des Bildermachens gewinnt an Bedeutung, die Handlung tritt in den Vordergrund.

Die Ausstellung in der Villa Merkel zeigt Kaprow als einen musealen Künstler. Der große Befreiungsschlag, der 1957/58 einsetzt und Kaprow die Malerei über Bord werfen und zur Aktion übertreten lässt, wird in der Ausstellung nicht thematisiert. Tatsächlich wären hier – wie Kurator Andreas Baur in seiner Eröffnungsrede betonte – die „Rearrangable Panels“ von 1957-1959, heute im Centre Pompidou in Paris aufbewahrt, die Kaprow in „18 Happenings in 6 Parts“ integrierte, ein wichtiges Scharnierstück, das eine Überleitung von seinen Gemälden zu den raumgreifenden Installationen und Aktionen erklären würde. Dennoch bietet die Konzentration auf die Malerei Kaprows eine Retrospektive auf einen Werkabschnitt, der als Prämisse zu Aktionskunst und Happenings der 1960er Jahre überraschen mag und deren starke Innovationskraft umso deutlicher hervortreten lässt.