Thomas Geiger

Porträt
31. März 2017
Text: Annette Hoffmann

Thomas Geiger: Bricks to Perform.
Centre Culturel Franco-Allemand, Karlstraße 16b, Karlsruhe.
Montag bis Donnerstag 10.00 bis 12.30 und 14.00 bis 18.00 Uhr,Freitag 10.00 bis 12.30 Uhr.
Bis 30. März 2017.

Thomas Geiger: Private Monuments.
Sperling, Regerplatz 9, München.
Mittwoch bis Freitag 12.00 bis 18.00 Uhr, Samstag 12.00 bis 16.00 Uhr.
Bis 22. April 2017.

Einmal hatte Thomas Geiger (*1983) sogar ein Atelier. Es tat ihm nicht gut, merkte er, und so gab er es wieder auf. Seitdem ist der öffentliche Raum sein eigentliches Areal. Eine ganze Zeit stellte er sich täglich in Wien auf einen der Plätze und bat um Geld. Eigentlich um viel Geld: „I want to become a millionaire“ steht auf dem eher treuherzigen, handgeschriebenen Schild. Die bescheidene Geste des Bettelns verband sich mit dem an sich ziemlich vermessenen Anspruch, reich zu werden. Und das mit Kunst. Wohlwissend, dass viele in zeitgenössischer Kunst eine Anlageoption sehen. Wer Geld gibt und dafür vom Künstler ein Zertifikat bekommt, weiß um diese Mechanismen und wird doch von Thomas Geiger ein bisschen vorgeführt. Man kann es mit Humor nehmen, zumal das eingenommene Geld in das Verlagsprojekt fließt, das Thomas Geiger mit seinem Künstlerfreund Karsten Födinger gegründet hat. Der Mark Pezinger Verlag verwirklicht Künstlerbücher, Soundarbeiten und Editionen – alles, für das eigentlich kein Markt vorhanden ist.

Wäre es nicht so 90er-Jahre-mäßig, könnte man das, was Thomas Geiger macht, für Institutionskritik halten. Ein Festival für minimale Interventionen, ein Verlag und jetzt auch noch eine Kunsthalle. Geiger kapert sich wie in einem Guerillakrieg die großen Tanker des Kunstfeldes und macht sich die Vorteile des Institutionellen zunutze. Zu den jüngsten Projekten von Geiger, der an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe bei Meuser und in Island studiert hat, gehört die Kunsthalle 3000. Bei einem Stipendienaufenthalt in Johannesburg entdeckte er in der Innenstadt ein Loch im Pflaster, die Steine waren abgetragen, die Erde darunter festgetrampelt. Für Thomas Geiger war es ein sinnfälliges Bild für eine Stadt, die selbst unterhöhlt und durch den Bergbau geprägt ist. Hinzu kommt, dass die Innenstadt während der Apartheid ein Ort war, der die schwarze Bevölkerung ausschloss. Das änderte sich mit dem Ende der Apartheid, derzeit entsteht hier eine neue Form von Urbanität. Viele Plätze in Johannesburg wirken, als seien sie nicht öffentlich, werden aber so genutzt, hat Geiger beobachtet. Und wer sich wie Thomas Geiger den Situationisten verpflichtet fühlt, entdeckt unter dem Pflaster gar den Strand. Die Fläche, die durch die fehlenden Pflastersteine definiert ist, erklärte er zur Kunsthalle 3000, die sich performativer und ephemerer Kunst widmet. Nähme man sich die kalauernde Pointensicherheit des Künstlers zum Vorbild, könnte man nun natürlich von einer der niederschwelligsten Kunsthallen überhaupt sprechen. Geiger verpflanzte sie bereits nach Genf, ab Mai wird er für sie auf Einladung des Goethe-Instituts einen Platz in Beirut suchen.

Dieses Loch im Pflaster war für Geiger nicht nur ein Loch, sondern auch ein Beispiel für einen sehr pragmatischen Umgang mit dem Alltag. In seiner Publikation „Bricks to Perform“ vereint er ähnliche Situationen, die er in Johannesburg vorfand: Mal bilden sechs Backsteine eine Säule, während einer daneben steht, dann neun einen Kreis, andere eine provisorische Sitzgelegenheit. Das Resultat, die kleinen Alltagskulpturen und ihre mutmaßliche Funktion, sind eigene Performances, die manchmal nur im Kopf des Betrachters stattfinden. Das Potential, dem Alltag seine Poesie zu entlocken, interessiert Thomas Geiger. „Man muss nicht immer Neues schaffen“, sagt er, „sondern Situation freilegen und die Werkzeuge zum Sehen zur Verfügung stellen.“