Doris Lasch

Porträt
20. März 2017
Text: Dietrich Roeschman

Doris Lasch.
Kunsthaus Baselland, St. Jakob-Str. 170, Basel-Muttenz.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 19. März 2017.

Auf den ersten Blick wirken die Arbeiten, die Doris Lasch für ihre erste große Einzelausstellung im Kunsthaus Baselland arrangiert hat, licht, kühl und alles andere als disparat. Und doch lässt einen schon nach ein paar Schritten das Gefühl nicht los, sich hier weniger durch eine Ausstellung zu bewegen, als durch die verwinkelten Fluchten unterschiedlicher Vorräume der Bildproduktion – und statt Bildern nichts anderes zu sehen zu bekommen als die Voraussetzungen ihrer Entstehung in exemplarischen Einzelteilen. Gleich im Eingangsbereich versperrt so nicht zufällig eine riesige Skulptur aus Aluminiumblech den Weg, um den Blick zugleich auf das Wesentliche zu fokussieren. Außen schwarz lackiert und mehrfach gefaltet wie der Ziehharmonika-Balgen einer analogen Großbildkamera, könnte Laschs „Phantom” gut als Modell des lichtdicht verschlossenen Innenraums einer Kamera durchgehen, der Black Box des fotografischen Bildes. Zugleich fungiert diese Arbeit als Portal zu einem künstlerischen Projekt, das in immer neuen, überraschenden Wendungen um die Frage kreist, was genau eigentlich ein Bild ist und wie wir es wahrnehmen angesichts der ausdifferenzierten Möglichkeiten seiner digitalen Herstellung, Bearbeitung und Wiedergabe? Wie lässt sich die Wirklichkeit der Welt durch die des Bildes verstehen – und umgekehrt?

Doris Lasch interessiert sich schon seit langem für solche Fragen. 1972 im bayrischen Landsberg am Lech geboren, studierte sie zunächst Kunst an der Akademie in München, arbeitete dann im Rahmen diverser Stipendien an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart, der Jan van Eyck-Akademie in Maastricht und in Brüssel, wo sie mehrere Jahre lebte, bevor sie 2008 schließlich nach Basel zog. Seit Ende der Neunziger bis 2011 produzierte Lasch ausschließlich im Duo zusammen mit Ursula Ponn, die sie aus München kannte. In ihren Arbeiten reflektierten die beiden Orte kultureller Produktion und Repräsentation und hinterfragten die Möglichkeit von Geschichte als eine Fiktion der Realität. Oft war nur schwer zu entscheiden, ob die Räume, die ihre Fotografien zeigten, nun eigens für die Kamera gebaut waren oder einfach nur Ateliersituationen dokumentierten.

Heute arbeitet Doris Lasch solo an einer ebenso vielschichtigen wie präzisen Sprache der Verunsicherung. Der Titel einer Serie von Heliogravüren, die sie im Kunsthaus Baselland zeigt, gäbe dafür ein passendes Leitmotiv ab: „Quelques erreurs d’interprétation”. Tatsächlich verdanken sich die im aufwändigem Edeldruckverfahren reproduzierten Fotografien einem „Interpretationsfehler” bei der Entwicklung. Weil sie als Überbelichtungen unbrauchbar waren, arrangierte Lasch die Motive in ihrem Atelier für die Kamera kurzerhand noch einmal neu. Ähnlich entschieden auf der Grenze zwischen Inszenierung und Dokumentation balancieren ihre Fotografien von bühnenartigen Settings, zum Teil mit Vorhängen verhüllt oder in den Lichtkegel eines Scheinwerfers getaucht, in dem dann wie zufällig ein Deckenbalken aus der Kulisse des Ateliers auftaucht, dessen 1:1-Nachbau die Künstlerin wiederum als großformatige Bodenskulptur in den realen Ausstellungsraum gewuchtet hat. Dieses Kippen zwischen Raum- und Bildwirklichkeit, das Lasch in ihren Arbeiten provoziert, erzeugt einen Sog ins Surreale, in dem Bildkritik, Poesie und Humor auf wunderbare Weise zusammenfallen. Ein schönes Beispiel für die produktive Verwirrung, die daraus folgt, liefert die Installation „Paravision” samt Swimming-Pool-Treppe, die von der Empore über die Brüstung ins Parterre führt, wo ein Großdiaprojektor die Ansicht eines nebligen Flussufers mit Badetreppe an die gegenüberliegende Wand wirft. Mit im Bild steht hier als stiller Beobachter – und irgendwie auch als seltsam träges Double unserer selbst – ein tonnenschwerer Kinoprojektor.