Joëlle Tuerlinckx, Nothing for Ethernity: Vom Hölzchen aufs Stöckchen

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2. Februar 2017
Text: Annette Hoffmann

Joëlle Tuerlinckx: Nothing for Eternity.
Kunstmuseum Basel/Gegenwart, St. Alban Rheinweg 60, Basel.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 17. April 2017.

Die silberfarbene Wandverkleidung im vierten Raum des Kunstmuseum Basel/Gegenwart besteht nicht etwa aus Alufolie, sondern aus Schokoladenpapier. Schon damit ist der feine Unterschied benannt, der Joëlle Tuerlinckx‘ Konzeptkunst zwar spröde, aber durchaus auch sinnlich werden lässt. Als eine Art symbolische Geste verbindet es die Schweiz mit der belgischen Heimat von Tuerlinckx (*1958), denn auch dort hält man die Schokoladenkultur hoch. Und wo das Silber, also das Geld nicht fern ist, darf auch die kolonialistische Vergangenheit Belgiens nicht fehlen, kann man in dem textintensiven Manual von Tuerlinckx‘ Basler Ausstellung „Nothing for Eternity“ nachlesen. Denn aus Westafrika gelangten auch die Kakaobohnen zu den belgischen Schokoladenmachern, die diesen einen respektablen Wohlstand ermöglichten, führt Kurator Søren Grammel aus.

Man kann in Joëlle Tuerlinckx‘ Einzelschau ohne weiteres vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen. Tuerlinckx ist eine genaue Beobachterin, der nichts entgeht, weder das beiläufig weggeworfene Stück Papier noch die PET-Flaschen, die sich im Wasserlauf beim Museum regelmäßig in einem Strudel sammeln. Hinzu kommt, dass die Dinge, haben sie einmal Tuerlinckx Aufmerksamkeit gewonnen, ständige Metamorphosen durchlaufen. Auf den silberfarbenen Wänden hängen kleine Kreise mit Ziffern, aber auch Münzen. Und dazwischen finden sich Karobilder, die aus verschiedenfarbigen Klebestreifen bestehen sowie ein Stück Wellkarton mit Farbproben in Rosé, Weiß, Gelb und Rot.

Vor allem jedoch sind hier Blätter mit Zeichnungen einfacher Blüten und Grasrispen ausgestellt. Eine ist an der oberen Kante von einem schwarzen Bogenmuster abgeschlossen, das an eine Markise erinnert und sich in Tuerlinckx‘ Wandarbeit „Typisch/Lokal/Schön“ wiederholt. Sie hat diese Zeichnungen immer wieder reproduziert, bei manchen ist zu erkennen, dass sie unmittelbar beim Scanprozess aufgenommen wurden. Das Bild, das im Moment der Reproduktion dokumentiert wird, ist ein schönes und adäquates Bild für die Kunst von Joëlle Tuerlinckx. Die Künstlerin belässt es nicht dabei, Dinge zu systematisieren und zu ordnen, sie fächert sie auf und gibt ihnen erst einmal einen neuen Anschein. Und daraus ergeben sich dann neue Konstellationen.

Das zeigt sich exemplarisch an den „Ronds de Sol“, den Bodenscheiben, die im ersten Saal des Museums ausliegen. Die Kreise sind nicht nur Vergrößerungen von Fundstücken wie Tortenböden oder Bierdeckeln, sie enthalten auch eine Anspielung auf das St. Alban-Quartier, dessen Bedeutung für Basel in der Papierherstellung und der Energieversorgung durch Mühlräder beziehungsweise durch die Wasserkraft lag. Tuerlinckx scheint gern in Analogien zu denken, so wie sie auch viel schreibt. Es finden sich aber auch Eintrittsbillets zu ihrer Wielser Ausstellung oder ausgeschnittene Verpackungen. An der Wand sind diese gefundenen Zettel und Papierstücke in Originalgröße in einem Fries vereint. Auf dem Boden liegen die vergrößerten und in Folie, Holz, Plexiglas, Metall und Pappe ausgeschnittenen oder in Gold gemalten Scheiben, als ob sie Teil einer komplexen Mechanik wären, bei der ein Teil ins andere greift. Und doch fühlt man sich nicht inmitten einer Welterklärungsmaschine.

Hier findet sich auch der Titel der Ausstellung „Nothing for Eternity“ als Schriftzug über einer Karte des Brüsseler Atomiums. Das Symbol des Atomzeitalters hat bekanntlich schon einmal bessere Tage gesehen, 2004 wurde die äußere Aluminiumhaut durch Edelstahl ersetzt – nichts ist eben für die Ewigkeit. Und alles kann bei einer zweiten Lektüre neu gelesen, neu bewertet werden.