Sebastian Dannenberg & Lukas Schneeweiß, The Avalanches: Im Zustand der Berührungslosigkeit

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4. Oktober 2016
Text: Manuel van der Veen

Sebastian Dannenberg & Lukas Schneeweiss: The Avalanches.
Kunsthaus L6, Lameystr. 6, Freiburg.
Donnerstag und Freitag 16.00 bis 19.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 6. November 2016.
www.freiburg.de

Die Ausstellung „The Avalanches“ im Freiburger Kunsthaus L6 saugt den Betrachter ein, lenkt seinen Schritt, verführt den Blick an den anfänglich angebotenen Wölbungen entlang zu gleiten. Die Arbeit „White Out“ des in Bremen lebenden Künstlers Sebastian Dannenberg (*1980) umgreift den Raum in der Vertikalen, von oben und unten, hebt sich mittels einer schicken Holzkonstruktion im Used-Look ab, während diese mittig die Wand tangiert. Der Betrachter muss einen Bogen um die Arbeit machen, denn gleiten kann hier nur der Blick. Die Farbmasse in Weiß, im Ton versetzt zur Wand, bildet mittels des Lichts ein feines Valeur. Die Farbe schreibt sich in die Wand ein, adaptiert den Raum, um ihn zu krümmen.

Die zweite Wölbung – „Maker“ des Karlsruher Künstlers Lukas Schneeweiss (*1979): ein Schriftzug postiert auf Transportkisten – lässt den ganzen Körper in den nächsten Raum rutschen. Fünf Buchstaben aus galvanisiertem Stahl mit abgerundeten Ecken zeigen sich in einer fluiden Farbigkeit. Der Zusammenschluss der Transportkisten schafft – wie die Schrift – einen einheitlichen Fluss. Das Wort ist einfach, der Aufbau ist klar und doch lässt es, liest man es als Anagramm – MARKE – zweifeln. Zwischen Logo, Aufforderung, Form und Farbe.

Dem Schriftzug folgend hält der Blick abrupt inne. Dort hängen Schilder und

Bilder an der Wand und im Raum, welche einen Stopp markieren: Baustellen­ästhetik des Unfertigen. Glücklich hinzu gesellt sich hinten der Boden, welcher noch die Gebrauchsspuren der vorigen Ausstellungen aufweist und sich kantig abschließt.

Die Leinwände von Lukas Schneeweiss sind unbehandelt oder dezent grundiert. Die horizontal gemalten Linien im Diptychon „Dan“ – metallisches Bronzitbeige und Himmelblau – werden vom sauber gearbeiteten Rahmen aus Multiplex wiederholt und intensiviert, während die Schräge und die Diagonalen des Stoffes sie kontrastieren. In „George“, ebenfalls ein Diptychon, von hartem Stahl umfasst und mit Neonfarben bestickt, zerrt die gespannte Leinwand als materieller Fluchtpunkt an der klaren Linie.

Die rautenförmigen Formate von Sebastian Dannenberg hingegen, die an der Stirnwand des Raumes hängen, erinnern an Straßenschilder. Es sind gelaserte Stahlplatten, zuerst bedeckt mit geschlossenen Monochromien, welche dann mit dem Sandstrahler gestisch-grob abgetragen wurden. Der Vorgang entzieht sich der vollständigen Kontrolle des Künstlers, doch hinterlässt er einen Duktus, der klar ist wie gedruckt. Die Farbe zeigt Spuren des kräftigen Aufpralls, der Geste des Wassers. In „Bologna“ schließlich wird diese Malerei Teil einer Installation, montiert auf Hüfthöhe an einem Gestell aus Rundstahl. Die Geste verläuft abwärts und wiegt mit den großen Stahlflächen schwer. Diese Schilder geben keinen Weg und kein Verhalten vor. So liegt die Kraft der Malerei von Sebastian Dannenberg in diesen Gebrauchsspuren, als wäre das Schild abgekratzt worden, um es in einem Schwebezustand zwischen Malerei und Alltag zu belassen.

Beide Positionen wirken clean und einheitlich, doch tragen Sebastian Dannenbergs Malereien eine Geste in sich, zeugen von Gebrauch. Während Schneeweiss seine Arbeiten präsentiert, als ob sie der Berührung fern seien. Sie sind sensibel, fein, präzise und bleiben im Zustand der Berührungslosigkeit. Zusammen pointieren die beiden Künstler in der Ausstellung ein Nachdenken über den Träger und die Farbe Weiß. Große Leerstellen in der Ausstellung, unbehandelte Leinwände von Schneeweiss, Stahl und das Blumenweiß in „White Out“. „The Avalanches“ beschwört die Kraft dieser Farbe und die fundamentale Relevanz eines tragenden Grundes.