Möglichkeit Mensch: Erweiterungen

Review > Friedrichshafen > Zeppelin Museum
24. September 2016
Text: Annette Hoffmann

Möglichkeit Mensch.
Zeppelin Museum, Seestr. 22, Friedrichshafen.
Montag bis Sonntag 9.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 9. Oktober 2016.
www.zeppelin-museum.de

Wenn ein Museum für eine Ausstellung mit dem Titel „Möglichkeit Mensch“ geradezu prädestiniert ist, dann das Zeppelin Museum Friedrichshafen. Lässt man den Blick über den Hafen schweifen, kann es gut passieren, dass ein elegantes weißes Flugobjekt sich in langsamer Geschwindigkeit beinahe lautlos über den Himmel schiebt, schaut man sich in der Dauerausstellung um, fallen einem Objekte auf, die die Möglichkeiten des Menschen erweitern. Und sei es nur durch besonders dicht gewebte Stoffe, die ein Arbeiten in großer Höhe bei niedrigen Temperaturen erlauben. In der Ausstellung „Möglichkeit Mensch“ findet sich unter anderem der Schutzanzug und die Kapsel von Felix Baumgartner, der mit seinem Stratosphärensprung eine neue Leitmarke setzt. Die Ausstellung ist zweigeteilt, im Parterre ist die technische Seite des Themas dargestellt, im 2. Obergeschoss die künstlerische. Dabei ist die Trennschärfe nicht immer eindeutig. Viele der beteiligten Künstlerinnen und Künstler machen sich die Technik zunutze. Mariechen Danz etwa arbeitet mit thermischer Farbe und Tim Berresheim simuliert durch eine Augmented-Reality-Brille eine andere Wirklichkeit. „Möglichkeit Mensch“ sondiert also auch, wie nah sich Technik und Kunst in einem Museum, das auf beide Bereiche ausgelegt ist, kommen können.

Der überschaubare Ausstellungsparcours ist dabei durchaus ambitioniert. Viele Videoarbeiten sind darunter, etwa von Jon Rafman und Ryan Trecartin, die durch ihre Trash-Ästhetik Sehgewohnheiten herausfordern. Christian Jankowskis Video „Casting Jesus“ ist dabei noch am konventionellsten, unterhält es doch durch den Bruch zwischen der Banalität einer Castingshow und der Andacht, die die Juroren aus dem Vatikan von den konventionellen Gesten der verschiedenen Jesusdarsteller erwarten. „Möglichkeit Mensch“ geht aber auch von der Body Art der 60er und 70er Jahre aus und führt sie weiter. So ließ sich Marion Laval-Jeantet für „Que le cheval vive en moi“ Pferdeblut injizieren. Laval-Jeantets Arbeit zitiert Mythen und Vorstellungen von der Verschmelzung zwischen Mensch und Tier wie sie seit der Antike bestehen. Viktoria Modesta hingegen hat sich gegen ihre Behinderung ausgesproche und inszeniert in ihrem Video „Prototype“ aus dem Jahr 2014 ihre Wiedergeburt als Fetisch und Symbol des Widerstandes gegen diktatorische Systeme. Um ihre illuminierte Beinprothese schwirren mal die Motten, mal ist sie mit Brillanten besetzt, mal hat sie die Form eines schwarzen Kegels, der die Spiegelfläche zerstört, auf der sie läuft. Das wirkt wie eine konsequente Weiterentwicklung des weiblichen Körpers, an dem Highheels nur eine andere Art der Prothese sind.