Corona Studios II: Julius Martin-Humpert

Julius Martin-Humpert, ohne Titel, Acryl auf Papier, 60 x 80 cm, Courtesy the artist
Julius Martin-Humpert, ohne Titel, Acryl auf Papier, 60 x 80 cm, Courtesy the artist
Thema > Corona Studios II
6. März 2021
Text: Julius Martin-Humpert

Julius Martin-Humpert lebt und arbeit in Freiburg.

Zusammen mit Martha Martin-Humpert hat er die Initiative Lock Down Look Up ins Leben gerufen, die Arbeiten von Freibuger Kunstschaffenden in Schaufenstern von wegen der Corona-Pandemie geschlossenener Freiburger Kneipen zeigt.

Julius Martin-Humpert, ohne Titel, Acryl auf Papier, 60 x 80 cm, Courtesy the artist
Julius Martin-Humpert, ohne Titel, Acryl auf Papier, 60 x 80 cm, Courtesy the artist
Julius Martin-Humpert, ohne Titel, Linolschnitt, Courtesy the artist
Julius Martin-Humpert, ohne Titel, Linolschnitt, Courtesy the artist
Julius Martin-Humpert, ohne Titel, Linolschnitte, Courtesy the artist
Julius Martin-Humpert, ohne Titel, Linolschnitte, Courtesy the artist

Das künstlerische Arbeiten in der aktuellen Situation gibt die Möglichkeit bei mir zu bleiben und einen Umgang mit den verschiedenen Themen dieser Zeit zu finden. Dabei wird das Atelier zum Rückzugsort, zum Zwischenraum zwischen dem Drinnen und Draußen.

Zu Beginn der Pandemie hieß es, Covid-19 sei der Gleichmacher, der alle in gleicher weise (be)trifft, vor dem alle gleichermaßen geschützt werden müssen. Leider stellte sich diese Annahme als ein naive Wunschvorstellung von Solidarität heraus. Das Gegenteil ist der Fall: Die Welt zerfällt weiter in nationalistisches Denken, Abschottung und Egoismen. Wirtschaftliche Interessen werden über gemeinschaftliche Lösungen gestellt, soziale Missstände verschwinden noch weiter aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Und so bleiben wir untätig, während uns die Pandemie globale und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten vorhält und noch verschlimmert.

Mein persönlicher Alltag ist natürlich auch den Einschnitten der Pandemie ausgesetzt. Meine Arbeit mit Jugendlichen und Geflüchteten in Kunstprojekten ist durch sich ständig verändernde Vorgaben und Hygienevorschriften stark eingeschränkt, das Studium ist ohne gemeinschaftliches Arbeiten und Austausch auch nicht das selbe und soziale Kontakte sind auf ein Minimum reduziert, kulturelle, soziale Veranstaltungen ganz weggebrochen. Und doch empfinde ich meine Situation auch in dieser Zeit als ungemein privilegiert.

Die Möglichkeit, weiter im Atelier arbeiten zu können, entspricht einem Teil dieses Privilegs. Denn Kunst gibt die Möglichkeit, mit verschiedenen Krisensituationen umzugehen. Sowohl solchen, die mich direkt als auch „die Welt dort draußen“ betreffen. Das Arbeiten im Atelier ist dabei ein Rückzug, ein Verarbeiten von Eindrücken und Gedanken. In der letzten Zeit konnte ich nur eingeschränkt die Räume der Edith Maryon Kunstschule in Munzingen nutzen, um dort bildhauerisch zu arbeiten, und habe deshalb die Zeit für Malerei und Hochdruck in meinem Atelier in Freiburg genutzt.

Entstanden ist dabei unter anderem die Serie von 5 Linol-Schnitten, sie handelt von Isolation, Intimität, Grenzen, Stille, Rückzug, dem Verhältnis des Individuums zum Umraum bzw. Umfeld.

Für mich ist entscheidend, auch jetzt aktiv zu sein, immer wieder Potentiale im Rahmen des Möglichen auszuloten, denn sie finden sich in jeder Krise, auch wenn sie auf den erst Blick nicht sichtbar sind. Deshalb haben wir gerade die Initiative „Lock Down Look Up“ ins Leben gerufen. Lockdown betroffene Gastronomie-Schaufenster werden in Galerien verwandelt. Dadurch soll die Gastronomie weiterhin im Stadtbild sichtbar bleiben und jungen Freiburger Kunstschaffenden eine Ausstellungsmöglichkeit geboten werden. Gleichzeitig werden Passanten auch zu Corona-Zeiten im Alltag mit Kunst und Kultur konfrontieren.



Fünf Fragen an Jullius Martin-Humpert

Hast du in den vergangenen sechs Monaten staatliche Hilfen beantragt? Wenn nicht, warum nicht – wenn ja, wurden sie bewilligt? Gab es in dieser Zeit ausgefallene oder verschobene Ausstellungen, Veranstaltungen, Stipendien, Jobs, Reisen? Konntest du Arbeiten verkaufen?
Staatliche Hilfe habe ich nicht beantragt, da ich persönlich das Glück und den Privileg hatte auch so durchzukommen. Andere brauchen diese Hilfe dringender. Durch den gelockerten Lockdown in den Sommermonate 2020 konnten einige Veranstaltungen statt finden und sogar ein improvisierter Sommerurlaub war möglich. Zudem hatte ich das große Glück, dass mein Studium an der Edith Maryon Kunstschule zwar unter Einschränkungen aber immerhin mit abgespecktem Präsenzuntericht bis Mitte Dezember weitergehen konnte.

Hat sich dein Arbeiten während des letzten Jahres verändert? Wie?
Das künstlerische Arbeiten gibt mir viel Halt zu dieser Zeit. Ich denke, das schlägt sich auch in meinen Arbeiten nieder.

Wie hast du Solidarität erfahren?
Solidarität habe ich vor allem von meinem direktem Umfeld erfahren. In diesen Zeiten rückt man zusammen, was aber auch gleichzeitig bedeutet, dass so manches anderes aus dem Blickfeld gerät…

Welchen Einfluss hat der langfristige Lockdown auf den Austausch mit anderen? Was macht das mit der Kunstszene?
Ich habe im Sommer 2020 einen neuen Atelierplatz in einem Raum voller Kreativschaffender aus unterschiedlichen Bereichen bezogen. Deshalb hatte ich das Glück im stetigen Austausch mit Anderen zu stehen. Außerhalb davon sehe ich jedoch, dass durch das Wegbrechen von Veranstaltung, Ausstellungen und anderen kulturellen Veranstaltungen der Austausch fehlt und Solidarität erschwert wird.

Die Kultur- und Kunstszene war schnell und hart vom Lockdown betroffen und ist es nach wie vor, bislang unabsehbar. Ist das okay, oder wie hätte ein anderer Umgang mit Kunstschaffenden aussehen können? Wie soll es weiter gehen, was muss anders werden?
Das letzte Jahr hat gezeigt, dass Kultur nicht als systemrelevant betrachtet wird. Das sagt einiges über unser Systemverständnis und die Bedeutung von Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft aus. Dabei sind viele Menschen und Berufsgruppen rund um die Kunst- und Kulturbranche nun von Existenzängsten betroffen. Für diese Menschen hat der Staat eher spät reagiert und bis heute nicht genügend Unterstützung locker gemacht. Vor allem für KleinkünstlerInnen und Solo-Selbstständige muss eine unbürokratische Unterstützung eingerichtet werden die auch wirklich zeitnah bei den Menschen ankommt.
Aufmerksam verfolge ich wie Kunst- und Kulturschaffende auch in der Krise die Möglichkeiten und Potentiale neu ausloten und sich nicht unterkriegen lassen. Das gibt mir Kraft!




Corona Studios II ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg