Corona Studios II: Eva Rosenstiel

Eva Rosenstiel, ohne Titel, 2020, Courtesy the artist
Eva Rosenstiel, Agorá, 2020, 120 x180 cm, Öl / Fotografie auf Leinwand, Courtesy the artist
Thema > Corona Studios II
7. März 2021
Text: Eva Rosenstiel

Eva Rosenstiel, *1951, lebt und arbeitet in Freiburg i.Br. und St. Märgen.
www.evarosenstiel.de

Eva Rosenstiel wird vertreten von Galerie Claeys, Freiburg.

Den Beitrag der Künstlerin zu Corona Studios I am 10. Mai 2020 finden Sie hier

Eva Rosenstiel, ohne Titel, 2020, Courtesy the artist
Eva Rosenstiel, Les Vergers, 2020/21, 60 x 80 cm, Öl / Fotografie auf Aludibond, Courtesy the artist
Eva Rosenstiel, St. Märgen, 2020-2021, Öl auf Aluminium, Courtesy the artist
Eva Rosenstiel, St. Märgen, 2020/21, je 20 x 20 cm, Öl auf Aludibond, Courtesy the artist
Eva Rosenstiel, ohne Titel, 2021, je 30 x 30 cm, Öl auf Aluminium, Courtesy the artist
Eva Rosenstiel, place (II), 2021, 3tlg, je 30 x 30 cm, Öl / Fotografie auf Aludibond, Courtesy the artist

Ausstellungseröffnungen? Treffen mit Kollegen? Entwicklung gemeinsamer Aktionen? Der Zustand eines kommunikativen Austausches wird immer abstrakter. Aber nach dem anfänglichem Entsetzen und des Gefühls, das Leben weg brechen zu sehen, tritt jetzt die Konzentration der Arbeit im Atelier in den Vordergrund – was ich im Moment auch sehr angenehm empfinde. Da ich schon immer sehr zurückgezogen gearbeitet habe, genoss ich die oft fast eingeschneiten Tage in St. Märgen mit den eigenen Gedanken und ohne Anforderungen von „außen“. Das Arbeiten gewinnt an enormer Wichtigkeit. Das hat sich durch das radikale Fehlen von anderen künstlerischen „Bereichen“ im Moment sehr intensiviert. Trotzdem es ist ein merkwürdiger Zustand der Konzentration auf den Augenblick. Jegliche Planungen in die weitere Zukunft werden sofort innerlich gecancelt. Auch die hoffnungsvolle Stimmung zum Jahreswechsel verpufft langsam. Alles ist auf slow motion geschaltet und das „alte“ Leben wird zunehmend imaginärer. Man lebt ein bisschen wie in einer Blase mit verletzlicher Aussenhülle, wobei diese dünne Membran wiederum wenig Schutz aber Einengung bedeutet.






Fünf Fragen an Eva Rosenstiel

Hast du staatliche Hilfen beantragt? Gab es ausgefallene oder verschobene Ausstellungen, Veranstaltungen, Stipendien, Jobs, Reisen, gab es Verkäufe?
In diesem „runtergefahrenen“ Zustand habe ich darauf verzichtet, Anträge für staatliche Hilfen auszufüllen. Wie „potentielle“ Verdienstausfälle beweisen? Außerdem bin ich finanziell durch meine langjährige Unterrichtstätigkeit „grundgesichert“. Auch konnte ich eine größere Arbeit verkaufen. Allerdings eine, die schon „ausgeliehen“ war und nun erworben wurde. Die Ausstellungssituation löste da eine bedeutendere Irritationen aus. Auch hier eine Planung „auf Ungewissheit“. Eine Ausstellung Anfang März musste sich nach einer Woche Öffnung dem ersten Lockdown beugen. Die für Mai in den USA vorbereitete Präsentation (ein Teil der Arbeiten ist schon dort) wurde zunächst auf Oktober 2020 verschoben, und nun weiss niemand der Beteiligten wie man nur im Entferntesten eine neue Terminierung ins Auge fassen könnte. Auch dort machen die Museen auf und zu … Dazu kommt jetzt durch eingeschränkte Reisemöglichkeiten zur Planungssicherheit eine nationale Bevorzugung. Manches (z.B. eine verschobene Gruppenausstellung bei München konnte dann im Spätsommer / Herbst 2020 stattfinden, anderes wird möglicherweise noch nachgeholt werden. Möglicherweise!!! Seit Mitte November wartet im Kunstverein Bretten eine komplett aufgebaute Ausstellung meiner Arbeiten auf die Öffnung …

Hat sich deine Arbeit während des letzten Jahres verändert?
Allzu viel hat sich glücklicherweise nicht verändert. Das Wichtigste wie Arbeitsplatz (in meinem Fall sogar zwei Ateliers), Materialien und die Freiheit, die Wohnung zu diesem Zweck zu verlassen, blieb erhalten. Das Bedürfnis zu malen hat sich intensiviert. Mein Thema „marché“ ist immer mehr zum Sehnsuchtsmotiv des Lebens geworden. Das soziale Miteinander mit körperlicher Nähe und Austausch. Der Marktplatz nicht nur als Umschlagplatz von Waren, sondern ebenso als politisch wichtiger sozialer Treffpunkt – auch in seiner historischen Tradition. Dabei haben sich meine Bildsujets nur geringfügig verändert, der Aufbau wurde aber etwas zerrissener und die Malerei abstrakter. Neu ist für mich die Darstellung von Landschaft. Die langen einsamen Tage im Schwarzwald liessen dann doch (Schnee-)Landschaften entstehen. Ein Motiv, das ich mir als Serie bisher „verboten“ hatte, da ich es sehr „besetzt“ glaubte. Auch verstärkt sich der Rückblick auf alte Arbeiten. Viele davon werden von mir überarbeitet – so auch ein Bild, das schon seit fast zwei Jahren im E Werk auf Fertigstellung wartete …

Wie hast du Solidarität erfahren?
Mein Totalrückzug liess keine Erfahrungen mit Solidarität und direktem Austausch zu. Kontakte blieben das Künstlerische betreffend an der Oberfläche. Man „verschob“ auch hier … Ein beliebter Kommentar: „Das muss ich mir dann mal im Original ansehen“. Es blieb beim Gefühl einer diffusen kollektiven Empfindung.

Welchen Einfluss hat der langfristige Lockdown auf den Austausch mit anderen? Was macht das mit der Kunstszene?
Auch das bleibt abzuwarten. Vermutlich hat das Arbeiten im Elfenbeinturm und die Zunahme an Zeit viele neue Werke und Ideen entstehen lassen, die dann alle gezeigt werden wollen …

Die Kultur war schnell und hart betroffen und ist es nach wie vor, bislang unabsehbar. Wie hätte ein anderer Umgang mit Kunstschaffenden aussehen können? Wie soll es weiter gehen, was muss anders werden?
Das Bewusstsein, gesellschaftlich irrelevant zu sein, muss verarbeitet werden. Die Zweifel, die eigene künstlerische Arbeit betreffend, wurden nun gesellschaftlich bestätigt. Die wiederholt betonte kulturelle Wichtigkeit der Kunst wird zum Lippenbekenntnis. Gleichzeitig weiss ich fairerweise auch keine spontane Lösung. Museen und ander Kunstorte auflassen, die vermutlich keine große Infektionsquelle darstellten und die ich im Moment am meisten vermisse? Wertschätzung durch Kunstankäufe und nicht nur durch Unterstützung als eine Art Sozialhilfe? Auch das wäre nur „Kosmetik“ und überforderte in der aktuellen Situation die logistischen Möglichkeiten. Eigentlich intensiviert auch hier das Virus nur die latent vorhandene Ambivalenz des Schaffens. Zum einen die Notwendigkeit des künstlerischen Tuns als (Lebens-)Strategie – zum anderen die oft ausbleibende gesellschaftliche Wertschätzung. Von „System relevant“ sind wir Künstler eben weit entfernt.



Corona Studios II ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg