Corona Studios II: Hannah Kindler

Kostüminstallation „Post-Proximity“ von Hannah Kindler, Nika Timashkova und Stella Meris, gezeigt bei der Oslo Night 2020, Atelier Mondial, Basel, Courtesy the artists
Thema > Corona Studios II
4. März 2021
Text: Hannah Kindler

Hannah Kindler, *1987, lebt und arbeitet in Freiburg.
Sie ist Mitglied des Künstlerischen Beirats im Kunstverein Freiburg.

Hannah Kindler

Hannah Kindlers Beitrag zu Corona Studios I vom 7. Mai 2020 finden Sie hier

corona
Hannah Kindler und Nika Timashkova, (un)masked, 2020, Edition künstlerische Schutzmasken, Porträts, Fotos: © Hannah Kindler und Nika Timashkova

Durch die Maskenpflicht ergaben sich spannende neue Möglichkeiten. Im Zentrum meiner künstlerischen Arbeit geht es häufig um die Auseinandersetzung mit körperlichen und kulturellen Identitäten, (Geschlechter-)Stereotypen und ihre Rollen in der Gesellschaft. Kleidung nimmt hierbei eine wichtige Rolle ein und so sehe ich auch Masken als eine zu bespielende Oberfläche. Meine Kollaborateurin Nika Timashkova und ich entwickelten für die Wiedereröffnung der Galerie für Gegenwartskunst im E-Werk tragbare Objekte, die außerdem den Schutzanforderungen einer Atemmaske entsprechen. Kleidung und somit auch Masken interagieren mit unserem Körper und spielen mit Originalität, Anpassung, Aneignung und Imitatation.



Sechs Fragen an Hannah Kindler

Hast Du staatliche Hilfen beantragt, wenn nicht, warum und wenn ja, hast Du sie bekommen?
Nein. Eine Voraussetzung für staatliche Hilfen war, dass man nachweisen musste, dass vertraglich zugesagte Projekte oder bereits geförderte Projekte ausfallen mussten, weil diese nicht verschoben werden können. Dies war in meinem Fall leider nicht möglich, da die meisten Projekte verschoben wurden oder es keine Verträge gab.

Gab es ausgefallene oder verschobene Ausstellungen, Veranstaltungen, Reisen, Stipendien, Jobs, gab es Verkäufe?
Ja, einige verschobene Ausstellungen und Vorträge. Einer wurde aber auch online nachgeholt.

Hat sich Deine Arbeit während des Jahres verändert?
Ja. Da Innenräume geschlossen wurden, war die Frage danach, wie Kunst anders gezeigt werden kann und wie diese Kunst sein sollte, sehr präsent. 
Ich habe neue Formate der Zusammenarbeit ausprobiert. Über das Atelier Mondial in Basel habe ich mit einigen anderen Künstler*innen aus der Region eine Kollaboration mit dem Schwerpunkt Corona begonnen. Unsere Gruppe heißt „Atelier Regional“ und nach dem wir uns über mehrere Monate über Zoom kennen gelernt haben, entwickelten wir eine Arbeitsweise trotz Abstand. Als Ergebnis haben wir zwei Ausstellungen zusammen gemacht, eine bei der Oslo Night 2020 in Basel und eine bei der Regionale. Thema der Ausstellung war unsere Auseinandersetzung mit Phänomenen wie Distanz, digitale Beziehungen, Entfremdung, Angst und Phobie, die durch die Corona-Krise aufgetreten sind. Ein Teil unserer Arbeit war Performance. Hier haben wir uns mit der Frage nach Publikum ohne physische Anwesenheit auseinander gesetzt und daran gearbeitet, wie wir die Arbeiten auch online präsentieren können.

Wie hast Du Solidarität erfahren?
Auf mehreren Ebenen. Einmal durch andere Künster*innen wie der oben genannten Gruppe, die es durch viel Input möglich machten, trotz Lockdown produktiv zu bleiben Dann gab es da auch eine tolle Gruppe an Künstler*innen und anderen Menschen aus dem kulturellen Sektor sowie Sponsoren, die die erste Freiburg Art Fair organisiert haben, bei der ich Teil sein durfte. Außerdem habe ich Solidarität durch ein niedrigschwelliges Handeln von Kurator*innen, Gallerist*innen und Redakteur*innen (wie z. B. auch bei artline) erfahren, die es möglich gemacht haben, unkompliziert etwas auf die Beine zu stellen und Sichtbarkeit zu schaffen. Zuletzt durch Kunstinteressierte, die sich entschlossen haben, durch den Kauf von Werken Unterstützung zu leisten.

Welchen Einfluss hat der langfristige Lockdown auf den Austausch mit anderen? Wie wirkt er sich auf Deine Arbeit für den  künstlerischen Beirat des Kunstverein Freiburg aus?
Ein großer Teil meiner künstlerischen Arbeit entsteht im Austausch mit anderen. Zusammensitzen, sich austauschen, gemeinsam brainstormen und sich gegenseitig inspirieren ist sehr wichtig für mich. Das ist durch den Lockdown sehr schwierig geworden. Auch wenn wir viele Onlinemeetings haben, fehlt hier oft die spontane Leichtigkeit, die die Arbeit normaler Weise beflügelt.
Für die Arbeit im Kunstverein Freiburg kommt dazu, dass unsere monatliche Veranstaltung, die Till Ten Bar ein Format ist, das vom gemeinsamen Denken über Kunst lebt. Die Veranstaltungsreihe musste leider für eine längere Zeit ausgesetzt werden. Am 4. März starten wir den Versuch, sie online durchzuführen.

Die Kultur war schnell und hart betroffen und ist es nach wie vor, bislang unabsehbar. Wie hätte ein anderer Umgang mit Kunstschaffenden aussehen können? Wie soll es weitergehen, was muss anders werden?
Gute Frage. Zwar denke ich, dass Sicherheit in Zeiten der Pandemie vorgeht, aber ich finde es doch teilweise fragwürdig, welche Bereiche offen bleiben durften und welche geschlossen wurden.
Außerdem finde ich, dass die Hilfsprogramme leider genau die ohnehin prekäre Situation für Kunstschaffende widerspiegelt: Projekte, die Gatekeeper auf ihrer Seite haben und dadurch eine Finanzierung erhalten, können Hilfe beantragen. Diejenigen Projekte, die ohnehin zu kämpfen haben, um umgesetzt zu werden, gehen leer aus.
Was man anders hätte machen können, finde ich schwer zu sagen. Vielleicht könnte die Corona-Situation dazu genutzt werden, sich mit ohnehin bestehenden strukturellen Problemen in der Kulturindustrie auseinander zu setzen. Beispielsweise könnte man mit der Diskussion darum beginnen, warum es immer noch keine Ausstellungshonorare für Künstler*innen gibt. Wenn es diese inzwischen geben würde, könnten viel mehr Künstler*innen nachweisen, dass sie Ausfälle haben.



Corona Studios II ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg