Gina Proenza

Porträt
14. Juni 2018
Text: Yvonne Ziegler

Gina Proenza, Trägerin des Helvetia Kunstpreises 2018, Soloshow an der Liste – Art Fair Basel, Warteck PP, Burgweg 15, Basel.
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www.liste.ch
www.helvetia.com

Obgleich gerade einmal Mitte zwanzig, wurde Gina Proenza (*1994) von vielen Orten geprägt. Geboren wurde sie im kolumbianischen Bogota, aufgewachsen ist sie in Paris und Brüssel, studiert hat sie in Lausanne und New York. Heute lebt sie in Lausanne und Paris. Noch während ihres Bachelorstudiums gründete Gina Proenza zusammen mit Iseult Perrault den Offspace „Pazioli“. Dieses Experimentierfeld erlaubte ihr mit Kommilitonen und bekannteren Künstlern in verschiedenen Konstellationen zusammenzuarbeiten, eigene Wege und Themen auszuprobieren. Wie sehr die Ausstellung als künstlerisches Medium fungiert, wird an der 2015 entstandenen Arbeit „Calle 79 n° 10-15“ deutlich, die aus einem fiktiven Plakat einer tatsächlichen in Bogota stattgefundenen Ausstellung besteht. Daran anschließend initiierte sie 2016 einen fiktiven mobilen Ausstellungsraum aus mehreren Raumzeichnungen. Erik Lindman und Ryan Foerster schufen kleine Collagen und Papierarbeiten, die in Proenzas Raumzeichnungen als Exponate montiert und in realen Räumen präsentiert wurden.

Neben Fragen des Ausstellens beschäftigt sich Proenza mit der Leere, der Schwierigkeit Dinge zu überbrücken und der Unmöglichkeit, manches eindeutig zu identifizieren. Werke wie „aka“ (2016) und „o a o a“ (2017) etwa weisen widersprüchliche perspektivische Formen oder merkwürdige architektonische Lücken auf, welche Sehgewohnheiten und Lesbarkeiten unterlaufen. Letzteres thematisiert das Phänomen des „Tampón del Darién“, ein Landstrich zwischen Panama und Kolumbien, an dem die asphaltierte Nord-Süd-Amerika-Fernstraße unterbrochen und wegen der extremen Natur nur durch unbefestigte Wege verbunden ist. Ausgangspunkt von Proenzas Werken sind divergente Beobachtungen und gezielte Recherchen, die sie erst zu einer Geschichte verdichtet, dann in verschiedene Medien umsetzt.
Oftmals sind ihre Erzählungen nicht-linear, fiktiv und durchdrungen von Poesie; die daraus resultierenden Werke dann von formaler Klarheit. In ihrer Installation „o a o a a“, die auf der diesjährigen Plattform im Kunsthaus Langenthal zu sehen war, flankierten zwei Wasserspeier in Form eines Schweine- und Menschenkopfes, die immer wieder die Zunge herausstreckten, den Eingang. Im Raum standen zwei gelbe Quader mit Sehschlitzen locker angeordnet und verströmten einen feinen Duft von Nadelwald. Den Abschluss bildeten Zaubertrickzeichnungen. Hintergrund dieser Arbeit, die Zauberei, Natur, Sprache und Wirklichkeit miteinander verbindet, ist die reale Geschichte des ersten freien Dorfs Südamerikas. San Basilio de Palenque wurde versteckt in den Wäldern Kolumbiens von entlaufenden Sklaven gegründet, erlangte 1713 von der spanischen Krone die Freiheit und besitzt bis heute eine eigene Sprache und Kultur. Während versteckte Präsenz – man weiß nicht, was sich in der Ansammlung von menschen- oder baumähnlichen Quadern verbirgt – und magische Aspekte in „o a o a a“ visuell und olfaktorisch erfahrbar sind, spiegelt sich die Sprachebene in Proenzas rätselhaften Werktiteln wieder. Beispielsweise bedeutet der Titel der Quaderaufstellung „Suto“ im Deutschen wir, während der Titel der Zeichnungen „Le rut animal“ ein Palindrom des Titels der Wasserspeicher „L’ami naturel“ darstellt. Außergewöhnlich ist außerdem Proenzas Zusammenarbeit mit einem Chemiker, der die Farben so veränderte, dass sie den Geruch von Natur verströmen. Es gibt unter der jüngeren Künstlergeneration nur wenige, die Geschichten und Ideen von Raum und Zeit derart sinnlich in Werke transformieren.