Esther Hunziker

Esther Hunziker
Esther Hunziker, My Wearable Pets, 2023/24, Courtesy the artist
Porträt
12. Februar 2025
Text: Dietrich Roeschmann

Esther Hunziker. Pax Art Award 2024 (mit Stefan Karrer und Alfatih).

Haus der Elektronischen Künste, Freilager-Platz 9, Basel-Münchenstein.
Mittwoch und Freitag 12.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag bis 17.00 Uhr.
15. Februar bis 27. April 2025

www.hek.ch
estherhunziker.net
electrfd.net
ref17.net/dump

Esther Hunziker
Esther Hunziker, My Wearable Pets, 2023/24, Courtesy the artist
Esther Hunziker
Esther Hunziker, My Wearable Pets, 2023/24, Courtesy the artist

Das Knurren der Bestie ist unterlegt mit machtvollen Drone-Sounds à la Hans Zimmer. Eben noch schaute hier Beyoncé kühl vom Cover der VOGUE, jetzt windet sich der Hals von Godzilla aus dem schuppigen Abendkleid: Rrooaarr! Der kurze Clip gehört zu einer Serie von 39 audiovisuellen Collagen, die Esther Hunziker (*1969) in ihrem 2023 gegründeten Netbook-Verlag electrfd.net veröffentlicht hat. Cover für Cover mutieren die Models hier zu bewegten Aliens oder Cyborgs aus SciFi- und Horror-Kultfilmen, reden über Körper und Bewusstsein, Raum und Zeit, Utopien vom besseren Leben. Nach gut zwölf Minuten ist der halsbrecherische Grenzgang zwischen Mensch, Monster und Maschine vorbei und die Lust groß, sich noch einmal durch all die Loops zu klicken – vom keuchenden Charles im Körper eines Riesenblutegels über den Milch sabbernden Herbert, der Foucault zitiert, bis zur keifenden Grace mit Wittgenstein auf den Lippen ihres Tiefseefischmauls: „The limitations of my language are the limitations of my world“.    

Esther Hunziker kennt sich aus mit Fragen von Identität und Schönheit – und auch mit der Angst vor ihrem drohenden Verlust, auf der ganze Industrien bauen. Sie hat Modedesign studiert und danach Videokunst an der HGK in Basel. Seit 1996 arbeitet sie als freie Mediengestalterin und Künstlerin, macht Videos, Fotografien, Animationen und Installation und hat seit 2000 zahlreiche Arbeiten für das Internet realisiert.

Ein schönes Beispiel dafür ist „dump“, eine nicht-narrative, poetische Wort-/Bild-Collage aus sinnbefreiten Spam-Texten und anderem Kommunikationmüll, die seit 2010 online steht unter www.ref17.net/dump. In ihrer Soloschau „Hi There“, 2018 im Kunsthaus Baselland zu sehen, ließ sie dann animierte Meteoriten in absurden Selbstfindungsmonologen – zusammengestückelt aus Youtube-Videos – vom paradoxen Wunsch erzählen, die eigene, fragile Identität ausgerechnet im größtmöglichen und denkbar anonymen öffentlichen Raum des Internets zu verhandeln.

Im vergangenen September erhielt Esther Hunziker den mit 30.000 Franken dotierten Hauptpreis des Pax Art Award. Die Auszeichnung wird jährlich von der gleichnamigen Stiftung an Kunstschaffende vergeben, die sich in ihrer Arbeit mit Medientechnologien beschäftigen und ihren Auswirkungen auf die kulturelle und gesellschaftliche Realität unserer Gegenwart. An der Preisträger*innen-Ausstellung im Haus der Elektronischen Künste in Basel zeigt Hunziker jetzt ihre jüngsten Fotografien aus der Serie „My Wearable Pets“ zusammen mit frühen Videos aus den 1990er Jahren.

Auch wenn technologisch gesehen Welten zwischen diesen Werkphasen liegen – was sie eint, ist eine enorme Lust am Experiment. Schon vor drei Jahrzehnten interessierte sich die Künstlerin für das Scheitern der Maschine und die eigentümliche Poesie der Unvorhersehbarkeit, die daraus folgte. In ihren ersten Videos waren es die Glitches, in denen sich die Bilder auflösten und transformierten. Bei den KI-generierten „Wearable Pets“ sind es nun die Effekte einer gezielten Überlistung der Technologie: „Die Bilder bewegen sich zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten, zwischen menschlichen und imaginären Wesen“, schreibt Hunziker über ihre humanoiden Stofftier-Hybriden. „Sie durchliefen mehrere Programme und wurden hin- und hergeschickt, um die Stereotypen der KI zu umgehen, die immer wieder versucht, sich an die Realität zu klammern.“ Mit bemerkenswertem Ergebnis. Was sie so verstörend macht, ist ihre Alltäglichkeit. Viele wirken wie Freund*innen oder Bekannte, die morgens mit dem falschen Bein aufgestanden sind, mal etwas derangiert oder niedlich entrückt, mal surreal mutiert wie Kafkas Gregor Samsa.