Yee I-Lann: Mansau-Ansau.
Kunstmuseum Thun, Hofstettenstr. 14, Thun.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 30. November 2025.
www.kunstmuseumthun.ch
Das Band, das, über den Köpfen einer Reihe von Frauen gehalten, von einer Ansiedlung zur anderen reicht, ist nicht nur ein Band. Und das nicht, weil es tatsächlich ein ziemlich schönes ist, das sich farbintensiv vom grünen Wasser abhebt, es steht vor allem für eine Verbundenheit zwischen verschiedenen Ethnien in Malaysia. Von außen gesehen, gibt es zwischen diesen mehr Verbindendes als Trennendes. Doch bevor Yee I-Lann (*1971) 2018 eine Kollaboration mit den Frauen startete, existierte kaum ein gemeinsamer Alltag. Hier die früher seenomadisch lebenden Bajau Sama, die mittlerweile in Wasserdörfern wohnen und sehr arm, zudem staatenlos sind, dort die Bewohner des malaysischen Dorfs Omadal Island. Mittlerweile sind die Weberinnen beider Gruppen in der Wapo (Women’s Association of Omadal Island) vereint. Sie kümmern sich gemeinsam um den Prozess und die Vermarktung ihrer Produkte, neben den traditionellen Matten sind dies Taschen und andere Accessoires. In einem Interview sagte die malaysische Künstlerin Yee I-Lann einmal, es sei ihr Ehrgeiz, für diese Frauen eine nachhaltige häusliche Ökonomie zu schaffen, die auf handwerklichen Fähigkeiten beruhe und diese feiere. In einem Video, das im Kunstmuseum Thun in ihrer Ausstellung „Mansau-Ansau“ zu sehen ist, kann man verfolgen, wie die im Wasser stehenden Frauen, das Band über ihren Köpfen ausrollen und es dann wieder einrollen.
Es ist vielleicht ganz folgerichtig, dass Yee I-Lann ein bisschen von der Fotografie abgekommen ist und sich der traditionellen Webtechnik zugewandt hat. Die Pandanus-Matten, die aus Fasern der Schraubenpalme gemacht werden, waren 2022 bereits als Wandinstallation auf der Art Unlimited in Basel zu sehen. Die komplexe indigene Technik verhüllt es vielleicht zuerst, doch in den Matten ist jede erdenkliche Variante eines Tisches eingewebt. Er taucht vor dem Auge auf wie Fotos im Entwicklerbad, nur dass die Farben so gar nichts Naturgetreues haben. Die Weberinnen verwenden synthetische Färbemittel, die leuchtende gelbe und grüne Neontöne ergeben, aber auch ein sattes Purpurrot und Violett, vereinzelt sind Streifen von Plastik eingewebt, das angeschwemmt wurde.
In Thun bettet sich diese Wandinstallation „Tikar/Meja/Plastik“ in Yee I-Lanns frühere Arbeiten ein. Denn auch die sieben Tänzer der Performance „Pangkis“ sind miteinander verbunden. Gewebte deckelartige, gemusterte Kopfbedeckungen enden in Schnüren, die auf verwirrende Weise miteinander verdreht sind. Manchmal klinken die Performer sich aus der Reihe aus, doch die längste Zeit zwingen diese Hüte die Performer zu aufeinander abgestimmten Bewegungen. Yee I-Lann greift hier zeremonielle Hüte von Kriegern aus dem Norden Borneos auf. Gut zehn Jahre zuvor ist die Serie „Picturing Power“ entstanden, Prints, die auf dem Prinzip der Montage beruhen. Auf einer der Arbeiten sieht man vereinzelte Bahntrassen, einheimische Arbeiter und in einem Büro, das auf drei Seiten offen ist, einen Kolonialbeamten. Während alle anderen stehen oder laufen, sitzt er am Tisch und scheint von dort das Land zu verwalten, es durch die Bahn zu erschließen und seine Ressourcen zu verwerten, seien es Rohstoffe oder Menschen. An der Wand des Büros ist die Abbildung eines Schiffes der Rotterdamschen Lloyd zu erkennen. Die historischen Fotos hat Yee I-Lann im Wereldmuseum in Amsterdam gefunden, das 1864 als Kolonialmuseum in Haarlem gegründet wurde. Die Rechnung mag ein bisschen schlicht sein, ist aber wirkungsvoll. Tische gehören der Machtsphäre der Kolonialherrscher an, sie drücken Hierarchien aus, während die Matten für ein traditionelles Miteinander stehen. In Thun ist eine schlichte einfarbige Matte wie ein langer Läufer auf dem Boden ausgebreitet, er ist eine Einladung zu einer Zusammenkunft. Man wird auf einer Matte geboren und stirbt dort, heißt es. Es ist also durchaus bezeichnend, dass die Tische in „Tikar/Meja/Plastik“ eingewebt sind, wodurch ihnen einerseits die bedrohliche Plastizität genommen wird, andererseits eignen die Weberinnen sie sich damit an.



